Schreibimpuls: Kreative Lösungen in Zeiten von Corona

Zurzeit bewegen wohl alle Menschen eine Menge Fragen, auch existentielle: Wie kann es beruflich weitergehen? Womit soll ich nun mein Geld verdienen? Soll ich als Selbständige Online-Angebote entwickeln? Wie kann ich gesund bleiben? Wie meinen Alltag zwischen Kindern, Schulaufgaben und den eigenen beruflichen Aufgaben im Home-Office bewältigen? Wer zahlt die Miete meiner Geschäftsräume? Wo gibt es überhaupt noch Spielraum? Wie kann ich physisch oder auch psychisch in all dem Ganzen überleben?

In derartigen Zeiten, die uns extrem ungewohnt herausfordern, sind sicherlich viele besondere Fähigkeiten gefragt: unter anderem aber auch Kreativität, Problemlösestrategien und eine ordentliche Portion Vorstellungsvermögen.

  • Kreatives Denken gelingt uns am besten, wenn wir entspannt sind. Trotz Virus … Wo haben Sie die besten Ideen? Unter der Dusche? Beim Joggen? Beim Kritzeln?
  • Vorstellungsvermögen, aber auch kreatives Handwerkszeug kann trainiert beziehungsweise gelernt werden – wer das bereits getan hat, ist nun im Vorteil.
  • Und Problemlösestrategien leben nicht nur davon, dass zunächst viele Ideen gesammelt, sondern dass diese dann auch gezielt bewertet, ausgewählt und gangbare umgesetzt werden.

Kreatives Denken, sprich assoziatives oder auch divergentes Denken, lässt sich wunderbar durch Kreatives Schreiben trainieren. Vielleicht ist es momentan eine gute Zeit, mit dem Schreiben der sogenannten Morgenseiten oder mit bestimmten Arten des Freewriting zu beginnen.

Schreibimpuls: Kreative Lösungen in Zeiten von Corona

In seinem Buch „Denkwerkzeuge“ stellt Florian Rustler eine ganze Reihe Werkzeuge bereit, um auf neue Ideen zu kommen. Satzanfänge wie „Es wäre super, wenn …“, „Ich wünschte, ….“ oder „Wäre es nicht schön, wenn …“ laden zum Schreiben – vielleicht auch von zunächst verrückten Ideen – ein. Tun Sie es! Schreiben Sie! Spontan und ohne nachzudenken. Mindestens 7 Minuten lang. Um den Inneren Kritiker, der immer gleich irgendwelche Gegenargumente liefert, zu umgehen, kann auch der folgende Satzanfang hilfreich sein: „Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich …“
Listen Sie alles auf …

Anschließend schauen Sie sich Ihre Liste an und tun das, was Max Frisch einmal gesagt hat: „Schreiben heißt, sich selbst lesen!“

Lesen Sie, überlegen Sie, welche Idee sich mit welchem ersten kleinen Schritt konkretisieren lässt, welche Ideen Sie noch konkreter fassen müssen und welche Ideen zunächst einfach nur utopisch  klingen – auch mit ihnen kann man aber weiterarbeiten.

Schulen Sie Ihr Vorstellungsvermögen, indem Sie mit allen Sinnen in einen Zustand eintauchen, als sei Ihre Idee, Ihr Wunsch schon in Erfüllung gegangen. Was sehen Sie? Was hören Sie? Was riechen oder schmecken Sie? Welche Menschen sind bei Ihnen? Wie sieht die Umgebung aus?

Rainer Maria Rilke hat einmal gesagt: „Blick aufs Ziel ist halber Weg.“ Der zweite Teil des Weges besteht allerdings darin, das konvergente oder auch analytische Denken zu nutzen, um Ideen zu bewerten, auszuwählen und eine gute Strategie für die Umsetzung zu entwickeln. Davon mehr im nächsten Beitrag.

Haben Sie Fragen? Ein Erstgespräch ist bei mir immer kostenfrei.

Quelle: Florian Rustler: Denkwerkzeuge

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Texte überarbeiten, lektorieren, korrigieren, schleifen …

Zwischen dem Schreiben einer ersten Rohfassung und der Endfassung liegen manchmal viele Arbeitsschritte, die sich mit allerlei Verben beschreiben lassen: überarbeiten, neu schreiben, korrigieren, verbessern, lektorieren, schleifen …

Das Wort schleifen gefällt mir besonders gut – geht es doch auch im Handwerk vom groben Schleifen zum Feinschliff …

Was heißt das nun konkret? Im Folgenden habe ich Fragen zusammengestellt, Fragen, die teilweise schon vor dem Schreiben beantwortet werden sollten, doch die in einem prüfenden Sinn erneut gestellt werden können.

Checkliste zum Überarbeiten von Texten:
  1. Erfüllt der Text die Ansprüche an die jeweilige Textsorte? – Ein Krimi lebt von Spannung und Vermutungen, eine wissenschaftliche Arbeit hingegen soll Klarheit und Transparenz aufweisen. Während Lyrik im Sinne des Wortes Gedicht die Inhalte verdichten und ein Flyertext Informationen prägnant auf den Punkt bringen sollte, bietet der Roman mit mehreren hundert Seiten Raum, um komplexe Sachverhalte auszubreiten. Gleichwohl sollte auch er kein langweiliges Geschwätz liefern.
  2. Für welche Zielgruppe und auf welches Ziel hin ist der Text geschrieben? – Soll der Text eine breite Leserschaft unterhalten, eine interessierte Gruppe informieren, ein Fachpublikum mit Detailwissen versorgen?
  3. Ist der Text logisch strukturiert, gibt es einen roten Faden, können die Leser_innen gut folgen? Bekommen sie, was sie brauchen, um zu verstehen? Oder hält der Text gezielt Informationen zurück, um etwa in einem Krimi Spannung aufzubauen?
  4. Wie sieht es aus mit Übersichtlichkeit, Visualisierung, anschaulichen Bespielen? Sind sie für jeweiligen Text sinnvoll? Wenn ja, in welcher Form?
  5. Stimmt die Stilebene? Welcher Stil ist überhaupt angebracht? Bildungssprachlich? Gehoben? Salopp? Umgangssprachlich? Jargon?
  6. Wie sind der Rhythmus und das Tempo des Textes? Wie ist der Lesefluss? – Das wird schnell deutlich, wenn die Texte laut gelesen werden.
  7. Zum Schluss natürlich immer auch die Frage nach korrekter Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung.

 

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Zeit zum Schreiben finden

Als wir schreiben lernten – vielleicht noch mit der Schiefertafel – waren wir konzentriert und vertieft. Doch heute?

Konzentriert Schreiben – ohne Unterbrechung von außen oder auch von innen ein Schreibprojekt zügig voranbringen – ist etwas, was sich viele Schreibende wünschen. Dabei ist es unwichtig, ob es sich um einen Fachartikel handelt, eine Dissertation oder einen Blogartikels für das Intranet eines Unternehmens. Vielleicht ist das Schreibprojekt auch ein Roman, eine Kurzgeschichte oder Text für den nächsten Poetry Slam.

Flow ist gewünscht und das, was Cal Newport mit Deep Work bezeichnet – das tiefe, konzentrierte Arbeiten. Viele Menschen seien heute eher „Shallow workers“, die oberflächlich und wenig konzentriert arbeiten. Sie könnten, häufig unterbrochen durch Handy, Social Media, Lust und Laune, kaum eintauchen in einen tiefen Denk- und Arbeitsprozess. Den Zustand des konzentrierten Arbeitens lasse sich jedoch nicht mit bloßer Willenskraft erzeugen. Er müsse, so Newport, vielmehr wie ein Muskel trainiert werden. Zeit zum Schreiben finden, kann man lernen und üben.

In meinen Schreibcoachings geht es daher nicht immer nur um stilistische Fragen, leserorientiertes Formulieren, Textfeedback oder rhetorische Feinheiten, sondern häufig auch um die Bedingungen, unter denen geschrieben wird, um Zeiträuber und Zeitfenster, um die Gestaltung eines Settings, in dem konzentriertes Schreiben möglich wird und Schreibprojekte erfolgversprechend abgeschlossen werden.

Kleiner Schreibimpuls: Zeit zum Schreiben finden

Listen Sie einmal auf, wie oft Sie während Ihres Schreibprozesses unterbrochen werden durch E-Mails, Handy, Social Media? Wie oft unterbrechen Sie sich selbst, weil Sie nur kurz mal recherchieren, aufs Handy schauen oder einen Kaffee holen müssen?

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Tausche Schreibtisch gegen Schreiben im Café

1528 schrieb Erasmus von Rotterdam: „Ich habe eine Studierstube im hintersten Winkel meines Hauses, mit dicken Mauern, doppelten Türen und Fenstern, alle Ritzen sind sorgfältig mit Gips und Pech verstopft, so daß selbst unter Tag kaum ein Lichtstrahl eindringen kann, und auch kein Laut, wenn er nicht besonders penetrant ist, wie etwa das Geschrei zankender Weiber oder der Krach, den die Handwerker machen.“*

Wie geht es Ihnen, wenn Sie das lesen? Ich merke, wie es mir zu eng wird; ich sehne mich beim Schreiben nach Licht, Luft und Frei-Raum.
Ich weiß, es gibt nicht DIE optimalen Schreibbedingungen, denn so, wie Schreibende verschieden sind, so sind auch die Schreibbedingungen, die ihnen gut tun und das Schreiben fördern, sehr unterschiedlich.

Ich habe oft heimlich im Caféhaus, zwischen dem Einkaufen, gearbeitet. (…) Ich auf meinem Bett, auf meinem Liegestuhl, im Gras sitzend, immer mit angezogenen Knien, auf den Knien das Schulheft, das Kinderschulheft, in das ich Gedichte schrieb, oder Bruchstücke von Gedichten, oder Prosa (…)“*

Die Frage entsteht, braucht Schreiben immer einen Ort? Ist es nicht gut, ab und zu den Schreibort ganz zu verlassen und sich zu bewegen. Jostein Gaarder schreibt in seinem Buch „Der Geschichtenverkäufer“: „Wenn ich allein unterwegs war, hatte ich immer Bleistift und Notizblock bei mir. Im Gehen konnte ich besonders gut nachdenken. Natürlich tat ich das die ganze Zeit, aber das hemmungslose Fabulieren fiel mir leichter, wenn ich mich durch die freie Natur bewegte, als wenn ich in meiner Wohnung im Sessel saß. Von Schiller stammt der Satz, daß der Mensch beim Spielen frei werde, da er dann seinen eigenen Gesetzen folge. Er hatte damit nicht unrecht, aber die Sache ließ sich natürlich auch auf den Kopf stellen: Es war leichter, mit Gedanken und Ideen zu spielen, wenn ich frei über die Hardangervidda zog, als wenn ich Stunde für Stunde wie ein Vorstadtsklave in meinen vier Wänden auf und ab tigerte. (…) Ich dachte kühner und frischer, wenn ich unterwegs war, auf diese Weise entstanden immer neue Sujets und Synopsen.“*

Gerade das Sich-bewegen in einer Phase der Ideensuchen, des Nachdenkens über Zusammenhänge und Gelesenes kann viel zum gelingenden Arbeiten beitragen. Auch bei einer sogenannten Schreibblockade kann es hilfreich sein, nach draußen zu gehen, sich zu bewegen, vielleicht sogar möglichst rhythmisch, auf einem Weg, der wenig Aufmerksamkeit erfordert. Doch zurück zum Schreibort.

Checkliste: Tausche Schreibtisch gegen Schreiben im Café
  • An welchen Orten schreibe ich normalerweise?
  • Tausche Schreibtisch gegen Schreiben im Café
    Probieren Sie verschiedene Ort aus und reflektieren Sie:
  • Was unterstützt/behindert mein Schreiben?
  • Wo schreibe ich konzentriert?
  • Wo bin ich kreativ?
  • Welcher Schreibort passt zu meiner jeweiligen Arbeitsphase? Will ich kreativ Ideen spinnen, einen Rohtext zügig verfassen oder hoch konzentriert einen Text überarbeiten?

In den vergangenen drei Jahren habe ich viele unterschiedliche Schreiborte ausprobiert: Ich schrieb mich in Wien durch ein halbes Dutzend Kaffeehäuser, von höhlenartig-verraucht bis luftig-frisch, schrieb auf wuseligen Bahnhöfen und lärmenden Flughäfen, am Washington Square in New York City oder in der Einsamkeit des Val Grande.

Schreibimpuls

Nehmen Sie einen Zeitwecker. Schicken Sie Ihren „Inneren Kritiker“ in die Kaffeepause, erlauben Sie sich, frei und spontan zu schreiben, zu träumen,  und schreiben Sie fünfzehn Minuten zu folgendem Thema: Mein idealer Schreibort …

Nachdem Sie geschrieben haben, lehnen Sie sich zurück, lesen Sie, was Sie geschrieben haben und ziehen Sie Anregungen für Veränderung aus dem Text.
Was lässt sich konkret umsetzen? Welche Ideen sind ein wenig utopisch? Steckt in ihnen nicht aber auch eine Veränderungsmöglichkeit?

Ich hatte bei dem oben erwähnten Impuls von einem Schreibort in der Provence geträumt: Sonne, Meer, Lavendelduft, Café au Lait, ein lauer Südwind, ein kleiner Schreibtisch im Schatten der Bäume …
Klar war mir, dass ich mit meinen momentanen Arbeitsverpflichtungen meinen Schreibtisch nicht 1000 km Richtung Süden verlegen konnte. Doch das freie Schreiben ließ mich aufmerksam werden. Was steckte in meinen Wünschen? Hauptpunkt, das spürte ich, war die Wärme, denn oftmals habe ich beim Schreiben kalte Füße – dem ließ sich aber abhelfen, auch der Café au Lait war schnell gekocht. Lavendelduft und Meer assoziierte ich mit Entspannung – klar, ich kenne mich. Unter Zeitdruck kann ich nicht anständig schreiben. Wichtig war also gar nicht der Ort im fernen Süden, sondern zu lernen, mit Termindruck anders umzugehen, Schreib-Aufträge entsprechend anzunehmen oder auch abzulehnen und manchmal einfach den zeitlichen Druck ignorieren zu lernen, um das Formulieren nicht zu stören.

*Erasmus von Rotterdam: Gefunden in: Krajewski, Markus (2013): Lesen, Schreiben, Denken. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. S. 12
*Marie Luise Kaschnitz: Gefunden in: Essig, Rolf-Bernhard (2007): Schreiblust & Dichterfrust. München: Carl Hanser. S. 148
*Jostein Gaarder (2002): Der Geschichtenverkäufer. München: dtv. S. 72

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Schreiben leichter machen: Routine finden, Rituale pflegen

Wir schreiben täglich – E-Mails, Notizzettel, Kurznachrichten. Doch wie sieht es mit dem täglichen Schreiben im Hinblick auf größere Schreibprojekte aus oder auf das Sich-Weiterentwickeln im Hinblick auf Stil, Genre oder was auch immer interessant ist für den eigenen Weg?
Jede Pianistin, jeder Fußballer, jede Tänzerin, jeder Designer trainiert täglich, sei es Ausdauer, sei es Technik oder Haltung. Nur beim Schreiben meinen viele, es sei Talent, das man entweder hat oder nicht und wenn man schreiben wolle, dann müsse einen die Muse küssen – vorher gehe gar nichts.
Weit gefehlt – auch Schreiben ist zu einem großen Teil ein Handwerk, das man lernen und trainieren kann. Irgendwo habe ich mal den Satz gelesen: „Die Muse kann dich nur küssen, wenn sie dich bei der Arbeit trifft!“ – Ja, also hinsetzen, täglich schreiben. Bleibt die Frage nach dem Was:
Übungen zum Warmschreiben und Lockerwerden: Brainstorming zu einem Thema, Morgenseiten nach Julia Cameron, jegliche Formen des Free-Writing
Kleine Spielereien mit Lyrischen Kurzformen und Rhetorischen Stilmitteln: ein Elfchen, ein Akrostichon, eine Alliteration, eine Anapher
Ein neues Genre erarbeiten: Wie schreibt man eigentlich eine Glosse? (Vielleicht wäre das etwas für das Intranet im Unternehmen, für die Zeitung, die man sonst nur als Leser_in in den Händen hält)
Optische Poesie: ausprobieren und spielen – das trainiert zudem die eigene Kreativität (Beispiele gibt es im Netz)

The five-minute-writer

von Margret Geraghty ist zwar auf Englisch, aber es liest sich gut und die 58 Kurz-Anregungen lassen sich ja einfach in der Muttersprache umsetzen.

Und wie sieht es nun mit einem Ritual aus, das die eigene Routine unterstützen könnte? Haben Sie eins? Ich unterscheide zwischen kleinen Schreibeinheiten zwischendurch, die ohne Ritual, sondern einfach so geschrieben werden und längeren, textproduzierenden Phasen, in denen ich an einem konkreten Projekt arbeite. Diese beginnt mit Kaffeekochen:
Ich mahle eine Handvoll Kaffeebohnen mit Großmutters alter Kaffeemühle, derweil das Wasser bereits im Kocher anfängt sein Lied zu singen. Das Kaffeepulver kommt in meine kleine French-Press, je nach Laune auch mal mit einer Prise Kardamom. Nachdem Brühen und Ziehen, kommt der Kaffee in meine Lieblingstasse, gemischt mit Hafermilch – da muss es die gute sein, aus Schweden.

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Wie gestalten Sie Ihren Schreibprozess?

Unabhängig davon, was Sie schreiben – ob ein Sachbuch, einen Roman, eine Dissertation, einen Essay oder ein Kinderbuch – immer handelt sich um einen Prozess, in dem die Zeit zwischen dem Anfangen und dem fertigen Manuskript (wie auch immer) gestaltet wird. Insofern ist nicht nur das WAS interessant, sondern auch das WIE, das WO und das WANN.
Wie gehen Sie vor? Gehören Sie zu den Nachtmenschen oder sind Sie am frühen Morgen besonders produktiv? Ver(sch)wenden Sie Ihre optimale Schreibzeit mit dem Lesen von E-Mails oder nutzen Sie sie für Ihr Schreibprojekt?

Ernest Hemingway war, bei allem, was wir über ihn wissen, sicherlich kein einfacher Mensch. Bezüglich seiner Äußerungen über den Schreibprozess finden sich jedoch immer wieder interessante Anregungen:

„Die kalten, klaren Morgenstunden, da arbeitet es sich gut, nur Black Dog ist wach,…“ (S. 21)

„Deshalb fange ich gerne frühmorgens an, bevor ich durch Leute und Dinge abgelenkt werden kann. Ich habe in meinem Leben noch keinen Sonnenaufgang versäumt. Kaum graut der Morgen, da stehe ich auf (…). Dann lese ich erst einmal alles bis zu der Stelle durch, wo ich aufgehört habe, und mache meine Korrekturen (…). Dann schreibe ich weiter, da wird nicht herumgemurkst, kein Papier zerknüllt, nicht auf und ab spaziert, weil ich immer an einer Stelle aufgehört habe, wo ich genau weiß, was weiter geschehen wird. Ich muss also nicht jeden Tag neu ankurbeln.“ (S. 142)
aus: A.E. Hotchner (1966): Papa Hemingway. München: Piper & Co Verlag.

Schauen wir Hemingways Schreibprozess genauer an!
  • Tägliches, regelmäßiges Schreiben – auch Sportlerinnen trainieren täglich!
  • Die besten Schreibzeiten nutzen – sie sind individuell verschieden. Finden Sie die optimale Zeit für sich heraus und nutzen Sie sie!
  • Schreibstrategie – Hemingway gehört zum Typ des intensiven Überarbeiters, auch George Bernhard Shaw saß stundenlang am Schreibtisch. Julia Cameron geht das Ganze kreativer und entspannter an; sie schreibt: „Ich führe meinen inneren Schriftsteller aus, spendiere ihm teure Kaffeekreationen mit Milchschaum (…). Ich kaufe ihm Zeitschriften und Stifte, die wie von alleine schreiben.“
  • Sitzen oder Gehen – Hermann Hesse oder Jean-Jacques Rousseau haben viele ihrer Texte im Gehen entwickelt … auch Nietzsche schrieb Teile seines Zarathustras während er an der Côte d’Azur auf den Treppen zwischen Unter- und Oberdorf von Èze unterwegs war. Zudem behauptet er, dass nur „ergangene Gedanken“, einen Wert hätten. Auch Simone de Beauvoir war für ihr Buch New York – mon amour zu Fuß unterwegs: „Ich erforsche New York, Viertel um Viertel. Gestern war ich am Ufer des Hudson und am oberen Broadway. Heute bin ich zwei Stunden lang am East River heraufgelaufen“.
  • An einer Stelle mit dem Schreiben aufhören, an der man genau weiß, wie es weitergeht – das erleichtert den Einstieg ins Weiterschreiben auf wunderbare Weise!
Ein paar Reflexionsfragen – schreiben Sie frei und spontan Ihre Gedanken auf:
  • Wann kann ich am besten und wirklich konzentriert schreiben?
  • Wann und wo habe ich die meisten Ideen und bin kreativ?
  • Brauche ich Bewegung zum Denken, um Geh-danken zu generieren?
  • Ist es für mein Schreibprojekt hilfreich, bewusst sinnliche Erfahrungen zu machen? Wenn ja, welche?
  • Wie kann ich es einrichten, dass ich regelmäßig und möglichst täglich schreibe?
  • Kann ich meine Schreibzeiten einhalten und zur Not verteidigen?
  • Kenn ich unterschiedliche Schreibstrategien und weiß ich die zielführend einzusetzen?
  • Wie könnte ein gutes Ritual für mich zu Beginn meiner Schreibzeit aussehen? Womit könnte ich mich gewohnheitsmäßig auf das Schreiben einstimmen? (Eine Tasse Kaffee, eine bestimmte Musik, eine frische Blume aus dem Garten…?)

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Tipps und Tricks bei Schreibblockaden

Wer sich mit den Biographien großer Autorinnen und Autoren befasst, bemerkt, dass sich auch professionell Schreibende mit Schreibblockaden auseinandersetzen müssen: Nichts geht mehr, die Schreibarbeit ruht, die Ideen bleiben aus, das Formulieren wird zäh bis unmöglich. Ob nun Simone de Beauvoir, J.K. Rowling, ob Friedrich Nietzsche und Robert Louis Stevenson … sie alle erzählen von derartigen Erfahrungen. Sie erzählen aber auch, was sie getan haben, um wieder ins Schreiben zu kommen: den Ort wechseln, die Tätigkeit wechseln, das Gespräch mit anderen suchen …

Wer sich nun – auf der Suche nach passenden Tipps für den eigenen Schreibprozess – nicht durch all diese Biographien lesen möchte dem sei das kleine Büchlein von Helga Esselborn-Krumbiegel „Tipps und Tricks bei Schreibblockaden“ empfohlen. Da in allen Phasen des Schreibens Schreibblockaden auftreten können, ist dieses Buch sinnvollerweise in folgende Bereiche gegliedert:

(1) Ideen finden,
(2) Das Projekt planen,
(3) Motivation und Konzentration,
(4) Ins Schreiben kommen,
(5) Im Schreiben bleiben,
(6) Umgang mit dem inneren Kritiker sowie
(7) Überarbeiten.

Das Buch ist klein und kompakt und schafft es dennoch, alle Themen, die mit Schreibschwierigkeiten zusammenhängen, treffsicher darzustellen. Zu jedem Bereich, zum Beispiel „Ins Schreiben kommen“, „Im Schreiben bleiben“, gibt es umfassende praktische Anregungen. Zitate von professionell Schreibenden über deren Schreibprozess bringen Leichtigkeit und Inspiration in dieses Buch.
Als Schreibcoach im Bereich wissenschaftliches Schreiben kenne ich (fast) die gesamte gängige Literatur. Was selten thematisiert wird, findet sich als eigenständiges Kapitel: Die Bedeutung des Inneren Kritikers für den Schreibprozess.
Viele Übungen, die beschrieben werden, kenne ich aus meiner praktischen Arbeit und ich erlebe täglich, wie hilfreich diese für einen souveränen Schreibprozess sind.

Helga Esselborn-Krumbiegel (2015): Tipps und Tricks bei Schreibblockaden. Paderborn: Schönigh [UTB 4318] 9,99 €

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Mit digitalen Quellen arbeiten

Das Arbeiten mit Informationsmaterial und Quellen, nicht nur aus Print-Medien, sondern auch gerade aus dem Internet sollten von Transparenz geprägt sein. Lydia Prexl hat es mit ihrem Buch geschafft, einen klaren und kompakten Überblick zu geben über das Thema „Mit digitalen Quellen arbeiten. Richtig zitieren aus Datenbanken, E-Books, YouTube und Co“. Wer ein Sach- oder Fachbuch schreiben will oder wissenschaftliche Texte verfassen muss, findet hier umfassende Antworten auf seine Fragen.

Aus dem Inhalt:
Wie findet man elektronische Quellen?
Was ist zitierfähig und was nicht?
Wie vermeidet man Plagiate?
Wie soll eine bibliographische Angabe aussehen?
Was tun, wenn in der Quelle Angaben fehlen?

Für mich ein handliches, aber dennoch umfassendes Buch, das nicht nur zum Arbeiten, sondern auch immer wieder zum Nachschlagen einlädt, das neben Informationen auch Aufgaben zum Überprüfen der eigenen Kenntnisse bietet und darüber hinaus Hinweise zum Umgang mit schwierigen Quellen liefert.

Lydia Prexl (2015): Mit digitalen Quellen arbeiten. Richtig zitieren aus Datenbanken,
E-Books, YouTube und Co. Paderborn: Schöningh.

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Was ist eigentlich ein Schreibspaziergang?

Schreiben und Gehen, Geh-danken aufschreiben, langsam gehen, eben spazieren gehen. Das Wort spazieren lässt sich ableiten vom Lateinischen spatiari und bedeutet umherschweifen. Daher nenne ich meine Schreibspaziergänge auch gerne Kreative Streifzüge, denn ich schweife oder streife umher, auf der Suche nach Inspiration, Anregung, Ideen oder Antworten auf Fragen.

Wenn wir im Alltag von A nach B eilen, sind unsere Gedanken meisten (noch) bei A und der gerade geschriebenen Mail oder (schon) bei B und dem nächsten Meeting. Der kreative Streifzug lädt ein, zu entschleunigen, im Jetzt zu sein, wahrzunehmen, was gerade ist – in uns, aber vor allem auch um uns herum: Farben, Formen, Texte, Menschen, Landschaften, Dialoge …

Das, was wir sehen, hören, riechen, darf sich verknüpfen mit den Assoziationen, die auftauchen. Egal, ob wir nun Inspiration für ein Projekt suchen, Antworten auf bestimmte Fragen oder ob wir etwas Spezielles beobachten möchten – die Assoziationen können uns führen. Ein Beispiel:

Mein heutiger Streifzug durch das herbstliche Sonnenwetter führte mich hier am Bodensee natürlich auch an den Apfelbäumen vorbei. Das erste Wort, das auftauchte, war Ernte. „Was habe ich dieses Jahr nicht alles geerntet…?“, schoss es mir durch den Kopf. Diese Frage regt zum Schreiben einer Liste an. Dabei kann ich sie wörtlich nehmen und an meinen Garten denken, an die vielen Kirschen und Pflaumen, oder ich nehme die Frage metaphorisch:
Was habe ich dieses Jahr privat oder auch beruflich geerntet, geschaffen, wachsen lassen, konstruiert, kreiert? Dabei können viele Verben passend sein.

  • Mein Artikel für die Federwelt fällt mir ein, aber auch die Freude über die zehn Interviews, die ich dafür mit professionell Schreibenden geführt habe.  Die gelungene Zusammenarbeit mit der Chefredakteurin Anke Gasch zaubert mir jetzt noch ein Lächeln ins Gesicht.
  • Meine Reise nach New York fällt mir ein, die Museen und Galerien, das Bummeln durch Arts&Crafts, wo ich so herrlich zwischen Skizzenbüchern und Stiften stöbern kann.
    Fast spüre ich die tropische Wärme jener Tage wieder auf der Haut. Und ich erinnre mich gerne an die inspirierenden Gespräche mit dem Design Director von Urban-X; dabei entstand ein Konzept für ein Video, an dem ich nun gerade arbeite.
  • Meine neue Website fällt mir ein und der Spaß, den ich beim Gestalten mit Markus Bühler, meinem Webmaster, hatte.
  • Dann tauchen die Wanderungen im Vercors und im Valle Maira auf; fast höre ich noch die Stille inmitten der wilden Natur.

Was so ein Apfelbaum alles auslösen kann! Ein Reichtum der ganz anderen Art wird spürbar.

Schreibimpuls

Nehmen Sie Stift und Papier, gehen Sie hinaus und probieren Sie es einfach aus. Gerne nehme ich Sie auch mit, wenn ich den nächsten Schreibspaziergang mache.

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Tausche Schreibtisch gegen Kaffeehaustisch, Strandcafé oder ein Irgendwo unter Palmen

1528 schrieb Erasmus von Rotterdam: „Ich habe eine Studierstube im hintersten Winkel meines Hauses, mit dicken Mauern, doppelten Türen und Fenstern, alle Ritzen sind sorgfältig mit Gips und Pech verstopft, so daß selbst unter Tag kaum ein Lichtstrahl eindringen kann, und auch kein Laut, wenn er nicht besonders penetrant ist, wie etwas das Geschrei zankender Weiber oder der Krach, den die Handwerker machen.“
Bei diesen Zeilen merke ich, wie mir eng wird, dass ich mich beim Schreiben sehne nach Licht und Luft und Frei-Raum. Ich weiß, es gibt nicht DIE optimalen Schreibbedingungen, denn so wie Schreibende verschieden sind, so sind auch die Schreibbedingungen, die ihnen gut tun, das Schreiben fördern, verschieden.
Ich habe oft heimlich im Caféhaus, zwischen dem Einkaufen, gearbeitet. (…) Ich auf meinem Bett, auf meinem Liegestuhl, im Gras sitzend, immer mit angezogenen Knien, auf den Knien das Schulheft, das Kinderschulheft, in das ich Gedichte schrieb, oder Bruchstücke von Gedichten, oder Prosa (…)“ , erzählt Marie Luise Kaschnitz, die sich als Ehefrau und Mutter ihre Schreibzeit richtiggehende erobern musste.
Die Frage entsteht, braucht Schreiben immer einen Ort? Ist es nicht gut, ab und zu den Schreibort ganz zu verlassen und sich zu bewegen. Jostein Gaarder schreibt in seinem Buch „Der Geschichtenverkäufer“: „Wenn ich allein unterwegs war, hatte ich immer Bleistift und Notizblock bei mir. Im Gehen konnte ich besonders gut nachdenken. Natürlich tat ich das die ganze Zeit, aber das hemmungslose Fabulieren fiel mir leichter, wenn ich mich durch die freie Natur bewegte, als wenn ich in meiner Wohnung im Sessel saß. Von Schiller stammt der Satz, daß der Mensch beim Spielen frei werde, da er dann seinen eigenen Gesetzen folge. Er hatte damit nicht unrecht, aber die Sache ließ sich natürlich auch auf den Kopf stellen: Es war leichter, mit Gedanken und Ideen zu spielen, wenn ich frei über die Hardangervidda zog, als wenn ich Stunde für Stunde wie ein Vorstadtsklave in meinen vier Wänden auf und ab tigerte. (…) Ich dachte kühner und frischer, wenn ich unterwegs war, auf diese Weise entstanden immer neue Sujets und Synopsen.“
Gerade das Sich-bewegen in einer Phase der Ideensuchen, des Nachdenkens über Zusammenhänge und Gelesenes kann viel zum gelingenden Arbeiten beitragen. Auch bei einer sogenannten Schreibblockade kann es hilfreich sein, nach draußen zu gehen, sich zu bewegen, vielleicht sogar möglichst rhythmisch, auf einem Weg, der wenig Aufmerksamkeit erfordert. Doch zurück zum Schreibort.
Beantworten Sie sich einmal folgende Fragen:
• An welchen Orten schreibe ich normalerweise?
• Welche Orte habe ich zum Schreiben schon ausprobiert?
• Was hat mein Schreiben unterstützt, was behindert?
• Wo und wann schreibe ich konzentriert?
• Wo und wann bin ich kreativ?
• Welcher Schreibort passt zu meiner jeweiligen Arbeitsphase? Will ich kreativ Ideen spinnen, einen Rohtext zügig verfassen oder hoch konzentriert einen Text überarbeiten?

In den vergangenen Jahren habe ich viele unterschiedliche Schreiborte ausprobiert: Ich schrieb mich in Wien durch ein halbes Dutzend Kaffeehäuser, von höhlenartig-verraucht bis luftig-frisch, schrieb auf wuseligen Bahnhöfen und lärmenden Flughäfen, am Washington Square in New York City oder in der Einsamkeit des Val Grande…

 

Zum Weiterlesen.
Erasmus von Rotterdam: Gefunden in: Krajewski, Markus (2013): Lesen, Schreiben, Denken. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. S. 12
Marie Luise Kaschnitz: Gefunden in: Essig, Rolf-Bernhard (2007): Schreiblust & Dicherfrust. München: Carl Hanser. S. 148
Jostein Gaarder (2002): Der Geschichtenverkäufer. München: dtv. S. 72

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