Schreibimpuls: Persönliche Ressourcen aktivieren

Das Thema Ressourcen ist in Zusammenhang mit der Lage unseres Planeten in aller Munde. Doch wie sieht es mit unseren persönlichen Ressourcen aus? Sind wir uns unserer Ressourcen und Möglichkeiten bewusst? Treiben wir an ihnen Raubbau oder wissen wir sie zu pflegen und auszubauen. Norbert Herriger (2010) listet in seinem Buch „Empowerment“ ein breites Spektrum auf, das er in Personen- und in Umweltressourcen aufteilt. Zudem schreibt er (2010: 94)

„Ressourcen ‚hat‘ man nicht nur, sondern aktiviert sie, nimmt sie wahr und entwickelt sie in AbhĂ€ngigkeit von den jeweils relevanten Lebenszielen bzw. den das jeweilige Lebensstil-Szenario bestimmenden, affektiv geladenen Themen. Ressourcen sind so gesehen keine eingelagerten Dispositionen 
, sondern aktive Konstruktionsleistungen unseres emotional geprĂ€gten Wahrnehmens und unseres individuellen und sozialen Handelns.“

Aktivieren Sie also, nehmen Sie wahr, entwickeln Sie weiter:

Schreibimpuls: Persönliche Ressourcen aktivieren

Listen Sie zu den folgenden Ressourcen einmal alles auf, was Ihnen zu Ihren persönlichen Ressourcen einfÀllt:

  • Physische Ressourcen (Kraft, Ausdauer, Gesundheit, Bezug zum eigenen Körper: „Das In-sich-WohlfĂŒhlen“)
  • Psychische Ressourcen (Selbstakzeptanz, Selbstwert, Motivation, Begabung, KreativitĂ€t, Zukunftsoptimismus)
  • Kulturelle Ressourcen (Bildung und Wissen, Berufliches Know-How, FĂ€higkeiten)
  • Relationalen Ressourcen (Empathie, KonfliktfĂ€higkeit, BeziehungsfĂ€higkeit, KritikfĂ€higkeit, Offenheit)

Schreibimpuls: Umweltressourcen aktivieren:

Listen Sie zu den folgenden Ressourcen einmal alles auf, was Ihnen zu Ihren Umweltressourcen einfÀllt:

  • Ökonomischen Ressourcen (Arbeit, Einkommen, Status, Kapital, Materielle Sicherheit)
  • Ökologische Ressourcen (ArbeitsplatzqualitĂ€t, Wohnumfeld, WohnqualitĂ€t, Zugang zu Erholungsgebieten)
  • Professionelle Ressourcen (Orientierungswissen, Zugang zu Dienstleistung und Beratung, RechtsansprĂŒche)
  • Soziale Ressourcen (Partnerschaft, Netzwerk, Freunde, Familie, Vertrauen, Liebe und SexualitĂ€t)

Nehmen Sie sich Zeit. Arbeiten Sie gerne auch zu zweit.
Sind Ihre Listen estellt, schauen Sie doch einmal, welche Ressourcen sind gut aktiviert, welche könnten Sie wieder vermehrt aktivieren und ausbauen.

Literatur: Norbert Herriger (2010): Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine EinfĂŒhrung. 4. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer

Schreibimpuls: Kreative Lösungen in Zeiten von Corona II

Wenn wir Lösungen suchen, benötigen wir, wie im letzten Blogbeitrag beschrieben, zunĂ€chst eine große Menge an Ideen. Aus diesem Pool lassen sich dann die wirklich guten herausarbeiten. Wichtig ist, auch verrĂŒckt erscheinende Ideen nicht gleich zu verwerfen, sondern auch ihnen den Raum zu geben, den sie brauchen: Vielleicht steckt in irgendeiner Variante DIE Lösung.
Walt Disney kreierte ein interessantes Handwerkszeug: Er schlĂŒpfte immer wieder in unterschiedliche Rollen, in den TrĂ€umer, den Kritiker und den Realisten. FĂŒr jede dieser Rollen gestaltete er ein eigenes Zimmer. Das ist fĂŒr uns wahrscheinlich kaum möglich, aber unsere TrĂ€umerin liegt vielleicht auf dem Sofa und spinnt Ideen, die Realistin sitzt am Schreibtisch und kalkuliert das Projekt, wĂ€hrend die Kritikerin uns ĂŒber die Schulter schaut und ein scharfes Auge auf alles wirft. Alle Rollen sind gleichermaßen wichtig; noch wichtiger ist, dass wir bestimmen, wann welche Protagonistin die BĂŒhne betreten darf.
Robert I. Sutton, der sich in seinem Buch „Der Querdenkerfaktor“ intensiv mit diesen Prozessen befasst hat, empfiehlt: „Setzen Sie den kritischen Ingenieur nie in das GroßraumbĂŒro der Kreativen; er macht sofort jede Idee kaputt.“

Doch wie geht es gut weiter mit den Ideen? Wie wÀhlen wir aus? Wie machen wir aus Ideen klare Ziele?

Hier kommt nun das konvergierende Denken zum Tragen. Dabei geht es darum, Ideen nicht sofort zu verwerfen, sondern systematisch zu prĂŒfen. Eine Klientin von mir hatte das BedĂŒrfnis ihren Job zu kĂŒndigen und etwas ganz Anderes zu machen. Sofort kam ihr Kritiker und behauptete, das gehe nicht. Schließlich mĂŒssen man das Haus abbezahlen und die Kinder großziehen 
 Nachdem wir miteinander gearbeitet und herausgefunden hatten, welches Potential in ihrer Idee enthalten war, wurde auch der Weg klar: eine berufsbegleitende Ausbildung (an den Wochenenden), um den Traumberuf erst einmal fachlich auf solide FĂŒĂŸe zu stellen. Als das nach zwei Jahren geschehen war, machte sie sich (bis heute sehr erfolgreich) selbststĂ€ndig und kĂŒndigte dann erst ihren Job. Unser Ideen benötigen eben zunĂ€chst einmal eine mentale Spielwiese, auf der wir nach Potentialen in der Idee suchen und nicht nach Fehlern. NĂ€chste mögliche Schritte:

Schreibimpuls: Kreative Lösungen in Zeiten von Corona II

Nehmen Sie sich Zeit, Papier und Stift: Schreiben Sie, skizzieren Sie, entwerfen Sie …

  • PrĂŒfen Sie, inwieweit die Umsetzung in Ihrem eigenen Handlungsbereich liegt und wer eventuell von Ihren PlĂ€nen betroffen sein könnte.
  • Wie viel Motivation, Leidenschaft, Energie können und wollen Sie einbringen?
  • PrĂŒfen Sie, wie es ist, wenn die Idee tatsĂ€chlich umgesetzt sein wird. Ist es dann wirklich besser? Hier braucht es Vorstellungskraft. Steve de Shazer und Insoo Kim Berg haben in den 1980er Jahren die sogenannte Wunderfrage entdeckt: „Stell dir vor, heute Nacht, wĂ€hrend du schlĂ€fst, geschieht ein Wunder, und das Problem, das dich gerade beschĂ€ftigt, ist verschwunden. Woran wĂŒrdest du das merken?“
    Tauchen Sie ein mit allen Sinnen 
 Hilfreich ist es dabei, einen Menschen an der Seite zu haben, der Notizen machen oder auch mit Fragen den Prozess begleiten kann: Was siehst du? Was hörst du? Was spĂŒrst du? Wie fĂŒhlt es sich in deinem Körper an?
  • Haben Sie sich fĂŒr eine Idee entschieden, lĂ€sst sich ein Zeitplan mit einer Deadline aufstellen – und die Frage klĂ€ren, was wĂ€ren die nĂ€chsten sinnvollen Schritte/was wĂ€re der erste kleine Schritt, den ich heute schon in Richtung Ziel machen könnte?
  • Wie sehen Ihre Ressourcen aus. um die Idee umzusetzen (fachliche Kompetenz, finanzielle und zeitliche Ressourcen, Zugang zu Informationen, emotionale und mentale Ressourcen 
)? Das Bild zu diesem Blogbeitrag habe ich in Havanna im CafĂ© ArcĂĄngel geschossen. Havanna ist ein perfektes Beispiel fĂŒr das sprichwörtliche Not-macht-erfinderisch: Überall lassen sich kreative und praktische Lösungen entdecken, weil wirklich alles als Ressource genutzt wird.
  • Wie sieht unser Netzwerk – auch das eine wichtige Ressource – aus?

Über persönliche Ressourcen- und Netzwerkanalyse mehr in den nĂ€chsten BlogbeitrĂ€gen.

Schreibimpuls: Kreative Lösungen in Zeiten von Corona

Zurzeit bewegen wohl alle Menschen eine Menge Fragen, auch existentielle: Wie kann es beruflich weitergehen? Womit soll ich nun mein Geld verdienen? Soll ich als SelbstĂ€ndige Online-Angebote entwickeln? Wie kann ich gesund bleiben? Wie meinen Alltag zwischen Kindern, Schulaufgaben und den eigenen beruflichen Aufgaben im Home-Office bewĂ€ltigen? Wer zahlt die Miete meiner GeschĂ€ftsrĂ€ume? Wo gibt es ĂŒberhaupt noch Spielraum? Wie kann ich physisch oder auch psychisch in all dem Ganzen ĂŒberleben?

In derartigen Zeiten, die uns extrem ungewohnt herausfordern, sind sicherlich viele besondere FÀhigkeiten gefragt: unter anderem aber auch KreativitÀt, Problemlösestrategien und eine ordentliche Portion Vorstellungsvermögen.

  • Kreatives Denken gelingt uns am besten, wenn wir entspannt sind. Trotz Virus 
 Wo haben Sie die besten Ideen? Unter der Dusche? Beim Joggen? Beim Kritzeln?
  • Vorstellungsvermögen, aber auch kreatives Handwerkszeug kann trainiert beziehungsweise gelernt werden – wer das bereits getan hat, ist nun im Vorteil.
  • Und Problemlösestrategien leben nicht nur davon, dass zunĂ€chst viele Ideen gesammelt, sondern dass diese dann auch gezielt bewertet, ausgewĂ€hlt und gangbare umgesetzt werden.

Kreatives Denken, sprich assoziatives oder auch divergentes Denken, lÀsst sich wunderbar durch Kreatives Schreiben trainieren. Vielleicht ist es momentan eine gute Zeit, mit dem Schreiben der sogenannten Morgenseiten oder mit bestimmten Arten des Freewriting zu beginnen.

Schreibimpuls: Kreative Lösungen in Zeiten von Corona

In seinem Buch „Denkwerkzeuge“ stellt Florian Rustler eine ganze Reihe Werkzeuge bereit, um auf neue Ideen zu kommen. SatzanfĂ€nge wie „Es wĂ€re super, wenn 
“, „Ich wĂŒnschte, 
.“ oder „WĂ€re es nicht schön, wenn 
“ laden zum Schreiben – vielleicht auch von zunĂ€chst verrĂŒckten Ideen – ein. Tun Sie es! Schreiben Sie! Spontan und ohne nachzudenken. Mindestens 7 Minuten lang. Um den Inneren Kritiker, der immer gleich irgendwelche Gegenargumente liefert, zu umgehen, kann auch der folgende Satzanfang hilfreich sein: „Wenn ich könnte, wie ich wollte, wĂŒrde ich 
“
Listen Sie alles auf 


Anschließend schauen Sie sich Ihre Liste an und tun das, was Max Frisch einmal gesagt hat: „Schreiben heißt, sich selbst lesen!“

Lesen Sie, ĂŒberlegen Sie, welche Idee sich mit welchem ersten kleinen Schritt konkretisieren lĂ€sst, welche Ideen Sie noch konkreter fassen mĂŒssen und welche Ideen zunĂ€chst einfach nur utopisch  klingen – auch mit ihnen kann man aber weiterarbeiten.

Schulen Sie Ihr Vorstellungsvermögen, indem Sie mit allen Sinnen in einen Zustand eintauchen, als sei Ihre Idee, Ihr Wunsch schon in ErfĂŒllung gegangen. Was sehen Sie? Was hören Sie? Was riechen oder schmecken Sie? Welche Menschen sind bei Ihnen? Wie sieht die Umgebung aus?

Rainer Maria Rilke hat einmal gesagt: „Blick aufs Ziel ist halber Weg.“ Der zweite Teil des Weges besteht allerdings darin, das konvergente oder auch analytische Denken zu nutzen, um Ideen zu bewerten, auszuwĂ€hlen und eine gute Strategie fĂŒr die Umsetzung zu entwickeln. Davon mehr im nĂ€chsten Beitrag.

Haben Sie Fragen? Ein ErstgesprÀch ist bei mir immer kostenfrei.

Quelle: Florian Rustler: Denkwerkzeuge

Texte ĂŒberarbeiten, lektorieren, korrigieren, schleifen 


Zwischen dem Schreiben einer ersten Rohfassung und der Endfassung liegen manchmal viele Arbeitsschritte, die sich mit allerlei Verben beschreiben lassen: ĂŒberarbeiten, neu schreiben, korrigieren, verbessern, lektorieren, schleifen 


Das Wort schleifen gefĂ€llt mir besonders gut – geht es doch auch im Handwerk vom groben Schleifen zum Feinschliff 


Was heißt das nun konkret? Im Folgenden habe ich Fragen zusammengestellt, Fragen, die teilweise schon vor dem Schreiben beantwortet werden sollten, doch die in einem prĂŒfenden Sinn erneut gestellt werden können.

Checkliste zum Überarbeiten von Texten:
  1. ErfĂŒllt der Text die AnsprĂŒche an die jeweilige Textsorte? – Ein Krimi lebt von Spannung und Vermutungen, eine wissenschaftliche Arbeit hingegen soll Klarheit und Transparenz aufweisen. WĂ€hrend Lyrik im Sinne des Wortes Gedicht die Inhalte verdichten und ein Flyertext Informationen prĂ€gnant auf den Punkt bringen sollte, bietet der Roman mit mehreren hundert Seiten Raum, um komplexe Sachverhalte auszubreiten. Gleichwohl sollte auch er kein langweiliges GeschwĂ€tz liefern.
  2. FĂŒr welche Zielgruppe und auf welches Ziel hin ist der Text geschrieben? – Soll der Text eine breite Leserschaft unterhalten, eine interessierte Gruppe informieren, ein Fachpublikum mit Detailwissen versorgen?
  3. Ist der Text logisch strukturiert, gibt es einen roten Faden, können die Leser_innen gut folgen? Bekommen sie, was sie brauchen, um zu verstehen? Oder hĂ€lt der Text gezielt Informationen zurĂŒck, um etwa in einem Krimi Spannung aufzubauen?
  4. Wie sieht es aus mit Übersichtlichkeit, Visualisierung, anschaulichen Bespielen? Sind sie fĂŒr jeweiligen Text sinnvoll? Wenn ja, in welcher Form?
  5. Stimmt die Stilebene? Welcher Stil ist ĂŒberhaupt angebracht? Bildungssprachlich? Gehoben? Salopp? Umgangssprachlich? Jargon?
  6. Wie sind der Rhythmus und das Tempo des Textes? Wie ist der Lesefluss? – Das wird schnell deutlich, wenn die Texte laut gelesen werden.
  7. Zum Schluss natĂŒrlich immer auch die Frage nach korrekter Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung.

 

Zeit zum Schreiben finden

Als wir schreiben lernten – vielleicht noch mit der Schiefertafel – waren wir konzentriert und vertieft. Doch heute?

Konzentriert Schreiben – ohne Unterbrechung von außen oder auch von innen ein Schreibprojekt zĂŒgig voranbringen – ist etwas, was sich viele Schreibende wĂŒnschen. Dabei ist es unwichtig, ob es sich um einen Fachartikel handelt, eine Dissertation oder einen Blogartikels fĂŒr das Intranet eines Unternehmens. Vielleicht ist das Schreibprojekt auch ein Roman, eine Kurzgeschichte oder Text fĂŒr den nĂ€chsten Poetry Slam.

Flow ist gewĂŒnscht und das, was Cal Newport mit Deep Work bezeichnet – das tiefe, konzentrierte Arbeiten. Viele Menschen seien heute eher „Shallow workers“, die oberflĂ€chlich und wenig konzentriert arbeiten. Sie könnten, hĂ€ufig unterbrochen durch Handy, Social Media, Lust und Laune, kaum eintauchen in einen tiefen Denk- und Arbeitsprozess. Den Zustand des konzentrierten Arbeitens lasse sich jedoch nicht mit bloßer Willenskraft erzeugen. Er mĂŒsse, so Newport, vielmehr wie ein Muskel trainiert werden. Zeit zum Schreiben finden, kann man lernen und ĂŒben.

In meinen Schreibcoachings geht es daher nicht immer nur um stilistische Fragen, leserorientiertes Formulieren, Textfeedback oder rhetorische Feinheiten, sondern hÀufig auch um die Bedingungen, unter denen geschrieben wird, um ZeitrÀuber und Zeitfenster, um die Gestaltung eines Settings, in dem konzentriertes Schreiben möglich wird und Schreibprojekte erfolgversprechend abgeschlossen werden.

Kleiner Schreibimpuls: Zeit zum Schreiben finden

Listen Sie einmal auf, wie oft Sie wĂ€hrend Ihres Schreibprozesses unterbrochen werden durch E-Mails, Handy, Social Media? Wie oft unterbrechen Sie sich selbst, weil Sie nur kurz mal recherchieren, aufs Handy schauen oder einen Kaffee holen mĂŒssen?

Tausche Schreibtisch gegen Schreiben im Café

1528 schrieb Erasmus von Rotterdam: „Ich habe eine Studierstube im hintersten Winkel meines Hauses, mit dicken Mauern, doppelten TĂŒren und Fenstern, alle Ritzen sind sorgfĂ€ltig mit Gips und Pech verstopft, so daß selbst unter Tag kaum ein Lichtstrahl eindringen kann, und auch kein Laut, wenn er nicht besonders penetrant ist, wie etwa das Geschrei zankender Weiber oder der Krach, den die Handwerker machen.“*

Wie geht es Ihnen, wenn Sie das lesen? Ich merke, wie es mir zu eng wird; ich sehne mich beim Schreiben nach Licht, Luft und Frei-Raum.
Ich weiß, es gibt nicht DIE optimalen Schreibbedingungen, denn so, wie Schreibende verschieden sind, so sind auch die Schreibbedingungen, die ihnen gut tun und das Schreiben fördern, sehr unterschiedlich.

Ich habe oft heimlich im CafĂ©haus, zwischen dem Einkaufen, gearbeitet. (
) Ich auf meinem Bett, auf meinem Liegestuhl, im Gras sitzend, immer mit angezogenen Knien, auf den Knien das Schulheft, das Kinderschulheft, in das ich Gedichte schrieb, oder BruchstĂŒcke von Gedichten, oder Prosa (…)“*

Die Frage entsteht, braucht Schreiben immer einen Ort? Ist es nicht gut, ab und zu den Schreibort ganz zu verlassen und sich zu bewegen. Jostein Gaarder schreibt in seinem Buch „Der GeschichtenverkĂ€ufer“: „Wenn ich allein unterwegs war, hatte ich immer Bleistift und Notizblock bei mir. Im Gehen konnte ich besonders gut nachdenken. NatĂŒrlich tat ich das die ganze Zeit, aber das hemmungslose Fabulieren fiel mir leichter, wenn ich mich durch die freie Natur bewegte, als wenn ich in meiner Wohnung im Sessel saß. Von Schiller stammt der Satz, daß der Mensch beim Spielen frei werde, da er dann seinen eigenen Gesetzen folge. Er hatte damit nicht unrecht, aber die Sache ließ sich natĂŒrlich auch auf den Kopf stellen: Es war leichter, mit Gedanken und Ideen zu spielen, wenn ich frei ĂŒber die Hardangervidda zog, als wenn ich Stunde fĂŒr Stunde wie ein Vorstadtsklave in meinen vier WĂ€nden auf und ab tigerte. (…) Ich dachte kĂŒhner und frischer, wenn ich unterwegs war, auf diese Weise entstanden immer neue Sujets und Synopsen.“*

Gerade das Sich-bewegen in einer Phase der Ideensuchen, des Nachdenkens ĂŒber ZusammenhĂ€nge und Gelesenes kann viel zum gelingenden Arbeiten beitragen. Auch bei einer sogenannten Schreibblockade kann es hilfreich sein, nach draußen zu gehen, sich zu bewegen, vielleicht sogar möglichst rhythmisch, auf einem Weg, der wenig Aufmerksamkeit erfordert. Doch zurĂŒck zum Schreibort.

Checkliste: Tausche Schreibtisch gegen Schreiben im Café
  • An welchen Orten schreibe ich normalerweise?
  • Tausche Schreibtisch gegen Schreiben im CafĂ©
    Probieren Sie verschiedene Ort aus und reflektieren Sie:
  • Was unterstĂŒtzt/behindert mein Schreiben?
  • Wo schreibe ich konzentriert?
  • Wo bin ich kreativ?
  • Welcher Schreibort passt zu meiner jeweiligen Arbeitsphase? Will ich kreativ Ideen spinnen, einen Rohtext zĂŒgig verfassen oder hoch konzentriert einen Text ĂŒberarbeiten?

In den vergangenen drei Jahren habe ich viele unterschiedliche Schreiborte ausprobiert: Ich schrieb mich in Wien durch ein halbes Dutzend KaffeehÀuser, von höhlenartig-verraucht bis luftig-frisch, schrieb auf wuseligen Bahnhöfen und lÀrmenden FlughÀfen, am Washington Square in New York City oder in der Einsamkeit des Val Grande.

Schreibimpuls

Nehmen Sie einen Zeitwecker. Schicken Sie Ihren „Inneren Kritiker“ in die Kaffeepause, erlauben Sie sich, frei und spontan zu schreiben, zu trĂ€umen,  und schreiben Sie fĂŒnfzehn Minuten zu folgendem Thema: Mein idealer Schreibort 


Nachdem Sie geschrieben haben, lehnen Sie sich zurĂŒck, lesen Sie, was Sie geschrieben haben und ziehen Sie Anregungen fĂŒr VerĂ€nderung aus dem Text.
Was lÀsst sich konkret umsetzen? Welche Ideen sind ein wenig utopisch? Steckt in ihnen nicht aber auch eine VerÀnderungsmöglichkeit?

Ich hatte bei dem oben erwĂ€hnten Impuls von einem Schreibort in der Provence getrĂ€umt: Sonne, Meer, Lavendelduft, CafĂ© au Lait, ein lauer SĂŒdwind, ein kleiner Schreibtisch im Schatten der BĂ€ume 

Klar war mir, dass ich mit meinen momentanen Arbeitsverpflichtungen meinen Schreibtisch nicht 1000 km Richtung SĂŒden verlegen konnte. Doch das freie Schreiben ließ mich aufmerksam werden. Was steckte in meinen WĂŒnschen? Hauptpunkt, das spĂŒrte ich, war die WĂ€rme, denn oftmals habe ich beim Schreiben kalte FĂŒĂŸe – dem ließ sich aber abhelfen, auch der CafĂ© au Lait war schnell gekocht. Lavendelduft und Meer assoziierte ich mit Entspannung – klar, ich kenne mich. Unter Zeitdruck kann ich nicht anstĂ€ndig schreiben. Wichtig war also gar nicht der Ort im fernen SĂŒden, sondern zu lernen, mit Termindruck anders umzugehen, Schreib-AuftrĂ€ge entsprechend anzunehmen oder auch abzulehnen und manchmal einfach den zeitlichen Druck ignorieren zu lernen, um das Formulieren nicht zu stören.

*Erasmus von Rotterdam: Gefunden in: Krajewski, Markus (2013): Lesen, Schreiben, Denken. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. S. 12
*Marie Luise Kaschnitz: Gefunden in: Essig, Rolf-Bernhard (2007): Schreiblust & Dichterfrust. MĂŒnchen: Carl Hanser. S. 148
*Jostein Gaarder (2002): Der GeschichtenverkĂ€ufer. MĂŒnchen: dtv. S. 72

Schreiben leichter machen: Routine finden, Rituale pflegen

Wir schreiben tĂ€glich – E-Mails, Notizzettel, Kurznachrichten. Doch wie sieht es mit dem tĂ€glichen Schreiben im Hinblick auf grĂ¶ĂŸere Schreibprojekte aus oder auf das Sich-Weiterentwickeln im Hinblick auf Stil, Genre oder was auch immer interessant ist fĂŒr den eigenen Weg?
Jede Pianistin, jeder Fußballer, jede TĂ€nzerin, jeder Designer trainiert tĂ€glich, sei es Ausdauer, sei es Technik oder Haltung. Nur beim Schreiben meinen viele, es sei Talent, das man entweder hat oder nicht und wenn man schreiben wolle, dann mĂŒsse einen die Muse kĂŒssen – vorher gehe gar nichts.
Weit gefehlt – auch Schreiben ist zu einem großen Teil ein Handwerk, das man lernen und trainieren kann. Irgendwo habe ich mal den Satz gelesen: „Die Muse kann dich nur kĂŒssen, wenn sie dich bei der Arbeit trifft!“ – Ja, also hinsetzen, tĂ€glich schreiben. Bleibt die Frage nach dem Was:
Übungen zum Warmschreiben und Lockerwerden: Brainstorming zu einem Thema, Morgenseiten nach Julia Cameron, jegliche Formen des Free-Writing
Kleine Spielereien mit Lyrischen Kurzformen und Rhetorischen Stilmitteln: ein Elfchen, ein Akrostichon, eine Alliteration, eine Anapher
Ein neues Genre erarbeiten: Wie schreibt man eigentlich eine Glosse? (Vielleicht wĂ€re das etwas fĂŒr das Intranet im Unternehmen, fĂŒr die Zeitung, die man sonst nur als Leser_in in den HĂ€nden hĂ€lt)
Optische Poesie: ausprobieren und spielen – das trainiert zudem die eigene KreativitĂ€t (Beispiele gibt es im Netz)

The five-minute-writer

von Margret Geraghty ist zwar auf Englisch, aber es liest sich gut und die 58 Kurz-Anregungen lassen sich ja einfach in der Muttersprache umsetzen.

Und wie sieht es nun mit einem Ritual aus, das die eigene Routine unterstĂŒtzen könnte? Haben Sie eins? Ich unterscheide zwischen kleinen Schreibeinheiten zwischendurch, die ohne Ritual, sondern einfach so geschrieben werden und lĂ€ngeren, textproduzierenden Phasen, in denen ich an einem konkreten Projekt arbeite. Diese beginnt mit Kaffeekochen:
Ich mahle eine Handvoll Kaffeebohnen mit Großmutters alter KaffeemĂŒhle, derweil das Wasser bereits im Kocher anfĂ€ngt sein Lied zu singen. Das Kaffeepulver kommt in meine kleine French-Press, je nach Laune auch mal mit einer Prise Kardamom. Nachdem BrĂŒhen und Ziehen, kommt der Kaffee in meine Lieblingstasse, gemischt mit Hafermilch – da muss es die gute sein, aus Schweden.

Wie gestalten Sie Ihren Schreibprozess?

UnabhĂ€ngig davon, was Sie schreiben – ob ein Sachbuch, einen Roman, eine Dissertation, einen Essay oder ein Kinderbuch – immer handelt sich um einen Prozess, in dem die Zeit zwischen dem Anfangen und dem fertigen Manuskript (wie auch immer) gestaltet wird. Insofern ist nicht nur das WAS interessant, sondern auch das WIE, das WO und das WANN.
Wie gehen Sie vor? Gehören Sie zu den Nachtmenschen oder sind Sie am frĂŒhen Morgen besonders produktiv? Ver(sch)wenden Sie Ihre optimale Schreibzeit mit dem Lesen von E-Mails oder nutzen Sie sie fĂŒr Ihr Schreibprojekt?

Ernest Hemingway war, bei allem, was wir ĂŒber ihn wissen, sicherlich kein einfacher Mensch. BezĂŒglich seiner Äußerungen ĂŒber den Schreibprozess finden sich jedoch immer wieder interessante Anregungen:

„Die kalten, klaren Morgenstunden, da arbeitet es sich gut, nur Black Dog ist wach,…“ (S. 21)

„Deshalb fange ich gerne frĂŒhmorgens an, bevor ich durch Leute und Dinge abgelenkt werden kann. Ich habe in meinem Leben noch keinen Sonnenaufgang versĂ€umt. Kaum graut der Morgen, da stehe ich auf (…). Dann lese ich erst einmal alles bis zu der Stelle durch, wo ich aufgehört habe, und mache meine Korrekturen (…). Dann schreibe ich weiter, da wird nicht herumgemurkst, kein Papier zerknĂŒllt, nicht auf und ab spaziert, weil ich immer an einer Stelle aufgehört habe, wo ich genau weiß, was weiter geschehen wird. Ich muss also nicht jeden Tag neu ankurbeln.“ (S. 142)
aus: A.E. Hotchner (1966): Papa Hemingway. MĂŒnchen: Piper & Co Verlag.

Schauen wir Hemingways Schreibprozess genauer an!
  • TĂ€gliches, regelmĂ€ĂŸiges Schreiben – auch Sportlerinnen trainieren tĂ€glich!
  • Die besten Schreibzeiten nutzen – sie sind individuell verschieden. Finden Sie die optimale Zeit fĂŒr sich heraus und nutzen Sie sie!
  • Schreibstrategie – Hemingway gehört zum Typ des intensiven Überarbeiters, auch George Bernhard Shaw saß stundenlang am Schreibtisch. Julia Cameron geht das Ganze kreativer und entspannter an; sie schreibt: „Ich fĂŒhre meinen inneren Schriftsteller aus, spendiere ihm teure Kaffeekreationen mit Milchschaum (…). Ich kaufe ihm Zeitschriften und Stifte, die wie von alleine schreiben.“
  • Sitzen oder Gehen – Hermann Hesse oder Jean-Jacques Rousseau haben viele ihrer Texte im Gehen entwickelt 
 auch Nietzsche schrieb Teile seines Zarathustras wĂ€hrend er an der CĂŽte d’Azur auf den Treppen zwischen Unter- und Oberdorf von Èze unterwegs war. Zudem behauptet er, dass nur „ergangene Gedanken“, einen Wert hĂ€tten. Auch Simone de Beauvoir war fĂŒr ihr Buch New York – mon amour zu Fuß unterwegs: „Ich erforsche New York, Viertel um Viertel. Gestern war ich am Ufer des Hudson und am oberen Broadway. Heute bin ich zwei Stunden lang am East River heraufgelaufen“.
  • An einer Stelle mit dem Schreiben aufhören, an der man genau weiß, wie es weitergeht – das erleichtert den Einstieg ins Weiterschreiben auf wunderbare Weise!
Ein paar Reflexionsfragen – schreiben Sie frei und spontan Ihre Gedanken auf:
  • Wann kann ich am besten und wirklich konzentriert schreiben?
  • Wann und wo habe ich die meisten Ideen und bin kreativ?
  • Brauche ich Bewegung zum Denken, um Geh-danken zu generieren?
  • Ist es fĂŒr mein Schreibprojekt hilfreich, bewusst sinnliche Erfahrungen zu machen? Wenn ja, welche?
  • Wie kann ich es einrichten, dass ich regelmĂ€ĂŸig und möglichst tĂ€glich schreibe?
  • Kann ich meine Schreibzeiten einhalten und zur Not verteidigen?
  • Kenn ich unterschiedliche Schreibstrategien und weiß ich die zielfĂŒhrend einzusetzen?
  • Wie könnte ein gutes Ritual fĂŒr mich zu Beginn meiner Schreibzeit aussehen? Womit könnte ich mich gewohnheitsmĂ€ĂŸig auf das Schreiben einstimmen? (Eine Tasse Kaffee, eine bestimmte Musik, eine frische Blume aus dem Garten…?)

Tipps und Tricks bei Schreibblockaden

Wer sich mit den Biographien großer Autorinnen und Autoren befasst, bemerkt, dass sich auch professionell Schreibende mit Schreibblockaden auseinandersetzen mĂŒssen: Nichts geht mehr, die Schreibarbeit ruht, die Ideen bleiben aus, das Formulieren wird zĂ€h bis unmöglich. Ob nun Simone de Beauvoir, J.K. Rowling, ob Friedrich Nietzsche und Robert Louis Stevenson 
 sie alle erzĂ€hlen von derartigen Erfahrungen. Sie erzĂ€hlen aber auch, was sie getan haben, um wieder ins Schreiben zu kommen: den Ort wechseln, die TĂ€tigkeit wechseln, das GesprĂ€ch mit anderen suchen 


Wer sich nun – auf der Suche nach passenden Tipps fĂŒr den eigenen Schreibprozess – nicht durch all diese Biographien lesen möchte dem sei das kleine BĂŒchlein von Helga Esselborn-Krumbiegel „Tipps und Tricks bei Schreibblockaden“ empfohlen. Da in allen Phasen des Schreibens Schreibblockaden auftreten können, ist dieses Buch sinnvollerweise in folgende Bereiche gegliedert:

(1) Ideen finden,
(2) Das Projekt planen,
(3) Motivation und Konzentration,
(4) Ins Schreiben kommen,
(5) Im Schreiben bleiben,
(6) Umgang mit dem inneren Kritiker sowie
(7) Überarbeiten.

Das Buch ist klein und kompakt und schafft es dennoch, alle Themen, die mit Schreibschwierigkeiten zusammenhĂ€ngen, treffsicher darzustellen. Zu jedem Bereich, zum Beispiel „Ins Schreiben kommen“, „Im Schreiben bleiben“, gibt es umfassende praktische Anregungen. Zitate von professionell Schreibenden ĂŒber deren Schreibprozess bringen Leichtigkeit und Inspiration in dieses Buch.
Als Schreibcoach im Bereich wissenschaftliches Schreiben kenne ich (fast) die gesamte gĂ€ngige Literatur. Was selten thematisiert wird, findet sich als eigenstĂ€ndiges Kapitel: Die Bedeutung des Inneren Kritikers fĂŒr den Schreibprozess.
Viele Übungen, die beschrieben werden, kenne ich aus meiner praktischen Arbeit und ich erlebe tĂ€glich, wie hilfreich diese fĂŒr einen souverĂ€nen Schreibprozess sind.

Helga Esselborn-Krumbiegel (2015): Tipps und Tricks bei Schreibblockaden. Paderborn: Schönigh [UTB 4318] 9,99 €

Mit digitalen Quellen arbeiten

Das Arbeiten mit Informationsmaterial und Quellen, nicht nur aus Print-Medien, sondern auch gerade aus dem Internet sollten von Transparenz geprĂ€gt sein. Lydia Prexl hat es mit ihrem Buch geschafft, einen klaren und kompakten Überblick zu geben ĂŒber das Thema „Mit digitalen Quellen arbeiten. Richtig zitieren aus Datenbanken, E-Books, YouTube und Co“. Wer ein Sach- oder Fachbuch schreiben will oder wissenschaftliche Texte verfassen muss, findet hier umfassende Antworten auf seine Fragen.

Aus dem Inhalt:
Wie findet man elektronische Quellen?
Was ist zitierfÀhig und was nicht?
Wie vermeidet man Plagiate?
Wie soll eine bibliographische Angabe aussehen?
Was tun, wenn in der Quelle Angaben fehlen?

FĂŒr mich ein handliches, aber dennoch umfassendes Buch, das nicht nur zum Arbeiten, sondern auch immer wieder zum Nachschlagen einlĂ€dt, das neben Informationen auch Aufgaben zum ÜberprĂŒfen der eigenen Kenntnisse bietet und darĂŒber hinaus Hinweise zum Umgang mit schwierigen Quellen liefert.

Lydia Prexl (2015): Mit digitalen Quellen arbeiten. Richtig zitieren aus Datenbanken,
E-Books, YouTube und Co. Paderborn: Schöningh.

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