Vom Schreiben mit Bleistift

Schreibende haben ganz unterschiedliche Vorlieben, was ihr Schreibgerät betrifft: der schöne Füller – ein Erbstück vom Großvater, eine Packung bunter Filzstifte zum Skizzieren, vielleicht ein Tablet für diejenigen, die eine Tastatur lieben oder der einfache Bleistift, der immer und überall seine Dienste tut und zur Not auch mit dem Messer angespitzt werden kann.

Roger Deakin schreibt in seinem Buch „Wilde Wälder“:
„Hin und wieder entdeckt man den perfekten Kugelschreiber oder Füller und nimmt ihn überallhin mit, bis man ihn eines Tages verliert. Aber nichts ist so dauerhaft, so verlässlich und liegt so selbstverständlich in der Hand wie ein Bleistift. (…) Oft schreibe ich auch meine Texte mit dem Bleistift. Er passt gut zu meinem experimentierfreudigen Wesen. Mit ihm kann ich vor dem Schreiben mit Tinte im wahrsten Sinne des Wortes Skizzen meiner Ideen anfertigen. Er war das erste Hilfsmittel, mit dem ich als Kind geschrieben und gezeichnet habe, und ist für mich immer noch die enge Verbindung dieser beiden Tätigkeiten. Ich werde wohl nie aus diesem Bleistiftalter herauswachsen. Auf Papier ist Bleistift für mich das erste und natürlichste Ausdrucksmittel. Es ist beruhigend und befreiend, dass man alles wieder ausradieren kann. Der Bleistift ist das Gegenteil vom Meißeln in Stein. Er flüstert über die Seite und ist nie dogmatisch.“ (S. 42)

Und weiter schreibt er:
„Die fein gemaserte, langsam wachsende Mutter aller Bleistifte ist die Weihrauchzeder aus den Wäldern von Oregon in Nordamerika, wo ein einzelner Baum über vierzig Meter hoch werden kann, dessen Stamm einen Durchmesser von eineinhalb Metern haben kann, genug Zedernholz für 150 000 Bleistifte.“ (S. 42f)

Auch ich bin fasziniert von Bleistiften. Das Bild oben habe ich in New York fotografiert, als es CW Pencil Enterprise noch gab, ein Geschäft, in dem man nur Bleistifte, Spitzer, Radiergummis und Notizbücher kaufen konnte. Auch wenn es das Geschäft nicht mehr gibt, so steht das Archiv mit interessanten Artikeln über Bleistifte aus aller Welt immer noch zur Verfügung.

Bleistifte haben für mich aber auch einen ökologischen Wert im Gegensatz zu all den Stiften und Werbekugelschreibern, die aus Kunststoff sind und häufig relativ schnell im Müll landen.

 

Lesetipp:

CWPencils: Archiv zum Schmökern über Bleistifte

Roger Deakin (2018): Wilde Wälder. Naturkunden No. 43. Berlin: Matthes & Seitz.

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Reisetagebuch – Travel Journal

Es gibt so herrlich viele Gründe zu verreisen: fremde Länder kennen lernen, über einen Markt in Sarlat bummeln, in Portugal in der Sonne liegen oder Wellenreiten gehen, in Andalusien Spanisch lernen, in den Schweizer Bergen wandern gehen oder mit dem Hausboot auf dem Canal du Midi schippern und die Zeit vergessen …

Was auch immer wir tun, es ist oftmals etwas Besonderes, das wir gerne mit Fotos festhalten. Aber warum nicht auch ein Tagebuch schreiben – ein Travel Journal – wie man das heute so gerne nennt? Warum nicht all die Gedanken, Gefühle, Ereignisse auch in Worten festhalten, von der Reise erzählen und so schreiben, dass man auch nach Jahren noch Lust hat, es zu lesen. Denn Erinnerungen verblassen mit der Zeit, wenn man sie nicht in irgendeiner Form festhält – und das wäre nun wirklich schade!

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Vogelkonzert im Frühling – Wer singt da eigentlich?

Zurzeit sind sie alle fleißig, die kleinen Singvögel, die uns frühmorgens schon ein kleines Konzert schenken. Doch wer singt da eigentlich? Wen kennen wir überhaupt?

Die Amsel mit ihrem melodischen Gesang, die krächzenden Krähen, die gurrenden Tauben, dann vielleicht noch den Zilpzalp, weil er eben zilpzalp ruft, später im Jahr dann noch der Kuckuck … Ich habe mich gefragt, ob und wie man das lernen kann, die Vögel an ihren Stimmen zu erkennen – denn wir hören sie ja meist eher und besser, als wir sie sehen.

Johanna Romberg gibt in ihrem sehr lesenswerten Buch „Federnlesen“ gleich zu Beginn einige hilfreiche Hinweise und weist darauf hin, dass das Wort Vogelbeobachtung nicht wirklich zutrifft, denn meistens sei es eher ein Lauschen. Von daher scheint der englische Begriff des birdings zutreffender.

Romberg verweist in ihrem Buch auf Donald Kroodsma, der seit über 40 Jahren Vogelstimmen erforscht. Er meint, man solle vorgehen wie nach einem Umzug in eine fremde Stadt und erst einmal EINEN Nachbarn kennen lernen und nicht gleich alle gleichzeitig. Doch gerade im Frühling zwitschern die Vögel munter durcheinander und es ist gar nicht so einfach, sich auf EINEN neuen Nachbarn zu konzentrieren.
Dennoch werden gerade im Frühjahr die meisten Vogelstimmenwanderungen angeboten. Auch ich habe letztes Jahr eine besucht – es war hochinteressant. Die Kursleiterin versuchte uns, überhaupt erst einmal zum Lauschen zu erziehen: ruhig werden, Zeit nehmen, hinhören, noch genauer hinhören – und nicht gleich einfach nur den Namen wissen wollen. Ich habe tatsächlich eine Stimme kennen gelernt, die ich dann über den Sommer immer wieder wiedererkannt habe. Doch die anderen Stimmen? Weidenlaubsänger, Zeisig, Kleiber …? Es war tatsächlich zu viel auf einmal.

Schließlich bin ich auf das Cornell Lab of Ornithology gestoßen und habe mir eine Bestimmungs-APP heruntergeladen – sie ist kostenfrei und ohne Werbung. Ich nutze sie häufig und habe viel Freude daran.

Und natürlich habe ich Johanna Rombergs Buch durchgeschmökert und mich an ihren vielen, lebendigen beschriebenen, Erfahrungen gefreut und jede Menge Neues über Vögel und Vogelbeobachtung gelernt: über eine Frankfurter Spezialklinik für abgestürzte Mauersegler, über die Zugvögelbeobachtung auf Helgoland, über die Gefährdung von Rotmilanen und Mäusebussarden durch Windkraftanlagen oder über Fluffis – Vögel, die vom Land in die Stadt ziehen…

 

Lesetipp:

Johanna Romberg (2018): Federnlesen. Vom Glück, Vögel zu beobachten. Köln: Lübbe.

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Magie des Staunens

Rachel Carson, Meeresbiologin und Naturschriftstellerin, hat mit ihrem Buch „Der stumme Frühling“, das 1962 erschienen ist, einen starken Impuls zur Gründung der internationalen Umweltbewegung gesetzt. Ihr Werk sowie ihr unermüdlicher Kampf führten schließlich zum Verbot von DDT. Sie gilt als eine der einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts.

Ein weniger bekanntes Büchlein ist die „Magie des Staunens“. Mit einem feinen Sinn für die Natur und die Bedeutung für uns Menschen beschreibt sie sehr einfühlsam, wie sie zusammen mit ihrem Großneffen Roger die Natur entdeckt. Das Buch hat mich verzaubert, und so gehört zu jenen seltenen Büchern, die ich schon mehrfach gekauft habe, um sie zu verschenken. Folgen wir doch einfach dem Text, der auf der Buchrückseite zu lesen ist: „Höre auf dein Herz und lerne das Staunen!“

Ich wünsche allen eine friedliche Zeit zum Staunen über die Wunder, die es überall zu entdecken gilt.

 

Rachel Carson (2019): Magie des Staunens. Die Liebe zur Natur entdecken. Erschienen bei Klett-Cotta

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Artensterben – Wörtersterben

Laut Wissenschaftlern steht die Welt am Anfang des sechsten Massensterbens in der Erdgeschichte. Etwa alle zehn Minuten sterbe eine Tier-, Pilz- oder Pflanzenart aus  (Deutsche Welle 11.10.2021).
Aber nicht nur die Arten sterben aus, sondern auch die Worte, mit denen wir Tiere, Pflanzen und Pilze bezeichnen. Das Oxford-Lexikon für Kinder hat Naturbegriffe gestrichen, da sie nicht mehr der Lebenswelt der Kinder entsprechen. Da verschwinden die Eichel, die Weide, der Reiher, der Rabe, die Lerche oder der Eisvogel aus der Sprachwelt; werden ersetzt durch blog, chatroom oder voicemail. Sogar die Kastanie wurde gestrichen – obwohl sie über Jahrzehnte die Hosentaschen der Kinder füllte, zum Basteln im Herbst anregte, und auch heute noch erlebe ich Erwachsene, die eine dieser herrlich glatten Herbstfrüchte als Handschmeichler aufheben und in der Jackentasche verschwinden lassen.

Natürlich listen aktuelle Wörterbücher aktuelle Sprache ab, aber dennoch: Was passiert, wenn wir keine Worte mehr haben, um die Natur um uns herum zu benennen? Nehmen wir sie und ihren Zustand noch weniger wahr? Vertiefen wir uns noch mehr in digitale Welten und spüren immer weniger, das wir uns immer mehr unsere Lebensgrundlage ruinieren?

Robert Macfarlane schreibt in seinem Buch „The Lost Words – A Spell Book“: „We’ve got more than 50% of species in decline. And names, good names, well used can help us see and they help us care. We find it hard to love what we cannot give a name to. And what we do not love we will not save.”

Namen können uns helfen, überhaupt erst zu sehen, wahrzunehmen und uns schließlich auch zu kümmern. Es ist schwer, etwas zu lieben, was wir gar nicht benennen können, für das wir keine Namen haben. Wofür wir keine Namen haben, werden wir auch nicht retten.

Was also tun?

Eva John hat die verloren gegangenen Worte aufgegriffen und mit ihrem „Lost Words Explorer Guide“ einen wunderbaren Pflanzen- und Tierführer gestaltet, der Alt und Jung anregt, sich wieder mit der Natur zu befassen. Da gibt es die Möglichkeit, schön Worte zu sammeln, kreative Schreibimpulse zu nutzen oder Anregungen, um Augen und Ohren wieder zu öffnen, Notizen zu machen – Worte zu finden, um das Erlebte auszudrücken. Gerade der Austausch mit anderen hilft uns, sich gemeinsam wieder auf die Socken zu machen. Auch wenn diese wunderbare PDF auf Englisch geschrieben ist, lassen sich die vielen Anregungen dennoch gut nutzen. Zudem ist es eine Freude, in der anregend gestalteten PDF zu „blättern“.

Ich wünsche allen wunderbare Herbsttage

Hier geht es zu Eva Johns: “Lost Words Explorer Guide”

Hier geht es zu Robert Macfarlanes: „The Lost Words – A Spell Book” (Hervorragend illustriert von Jackie Morris)

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Nature Journaling

Eingekuschelt liege ich im Schlafsack und lausche: Es knackt und knistert um mich herum. Ein leiser Wind spielt in den Ästen der hundertjährigen Eiche, der Mond wirft ein sanftes Licht durch die Fenster des Baumhauses, in dem ich die Nacht in 18 Meter Höhe verbringe …

So beginnt der Artikel, den ich für die Zeitschrift Federwelt über das Thema Nature Journaling – das Schreiben eines Naturtagebuches – geschrieben habe.

Nature Journaling kann unterschiedlichen Zwecken dienen: Es bietet die Möglichkeit, sich wieder mehr mit der Natur zu verbinden. Die Notizen können als Grundlage für das Schreiben von Sachbüchern dienen oder für Essays oder Lyrik, die in Richtung Nature Writing gehen. Zudem kann es helfen, Kreativität (neu) zu entdecken oder die eigene Achtsamkeit zu schulen.

Ich nutze das Nature Journaling allerdings auch, um einen Ausgleich zur sitzenden Arbeit am Schreibtisch zu haben. Wir verbringen heute 93% unsere Zeit in geschlossenen Räumen oder im Auto – was erwiesenermaßen zu gesundheitlichen Problemen führt. Andrew Huberman, Neurologe und Augenarzt, empfiehlt morgens und abends wenigstens zwei bis zehn Minuten draußen bei Tageslicht zu verbringen, denn nur das Draußensein balanciert unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, regt unseren Stoffwechsel an, hat einen positiven Einfluss auf unsere Stimmung und fördert unsere Konzentrationsfähigkeit. Für jeweils 90 Minuten arbeiten am Bildschirm (fokussiertes Sehen) fordert er 30 Minuten Ausgleich (Blicken in die Weite), um unsere Sehfähigkeit bis ins hohe Alter zu erhalten.

Ich befürchte, dass das für viele Menschen im Arbeitsalltag gar nicht machbar ist. Dennoch versuche ich – gerade, wenn das Wetter es zulässt – draußen zu arbeiten. Ich habe Bewegung, das Sonnenlicht (auch bei bedecktem Himmel) tut meinen Augen gut – ich kann immer wieder in die Weite blicken und den Blick bis zum Horizont wandern lassen und genieße die frische Luft.
Hier geht es zum Artikel in der Federwelt, in dem sich konkrete Anregungen für das Führen eines Naturtagebuchs finden. Auch habe ich am Bodensee eine kleine Schreibgruppe, die sich intensiv mit Nature Writing befasst. Bei Interesse gerne melden.

 

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Buchempfehlungen im Frühling

Frühlingsanfang. Die Natur steht in den Startlöchern, Schneeglöckchen sind schon lange wieder verblüht, die Weiden zeigen ihr erstes zartes Grün und wer einen Gemüsegarten hat, setzt bereits Zwiebeln

… und wer Lust aufs Lesen hat, hier ein paar Anregungen:

Für die Blumenfreundinnen

Mein Frühlingsgarten von Vita Sackville-West. Insel Taschenbuch (2019)

Für die Poetinnen

Frühling von Hermann Hesse. Insel taschenbuch. (2010)

Für die Gartenfreundinnen

Gartengeschichten von Eva Demski. Insel Verlag (2013)

Für die Gemüsegärtnerinnen
Selbstversorgung aus dem eigenen Anbau von Maren Bustorf-Hirsch. Bassermann (2021)

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Wie schreibt man über Natur?

Das Buch von Jürgen Goldstein „Naturerscheinungen. Die Sprachlandschaften des Nature Writing“ gibt einen hervorragenden Überblick über unterschiedliche Autorinnen und Autoren des Nature Writing: David Henry Thoreau, Annie Dillard, John Muir, Nan Shepherd, Robert Macfarlane, um nur einige zu nennen. Sie alle haben nicht nur sehr präzise über Natur geschrieben, sondern auch ihre eigene Erfahrungswelt versucht in Worte zu fassen.

Goldstein geht der sehr wesentlichen Frage nach, inwieweit wir überhaupt eine Sprache haben, um über Natur zu reden oder zu schreiben und schildert „die Disziplinierung der Sprache“ (49). Während sich seit der Moderne in den Naturwissenschaften eine rein sachliche und analytische Sprache durchgesetzt hat und man versuchte, das persönliche Wahrnehmen komplett auszuschließen, verteidigt das Nature Writing „die persönlich leibgebundenen Erfahrungen gegenüber [dieser] Entwertung“ (102). Im Nature Writing dient das Schreiben über die Natur „einer Einweisung in das eigene Erleben“ (26) und schult somit die Aufmerksamkeit gegenüber der Natur aber auch gegenüber den eigenen inneren Prozessen.

Wie anders könnten wir heute in einer Zeit von Klimakrise, immer noch andauernder Ausbeutung der Rohstoffe sowie Missachtung von Ökosystemen wieder einen achtsamen Zugang finden, wenn nicht über die Verbindung von Naturkunde und tiefem persönlichen Interesse (105), das letztlich versucht, Worte zu finden, um genau diese tiefe Beziehung wieder zu spürenn und zum Ausdruck zu bringen.

„Nature Writing setzt auf die Einsicht, dass die Sprache unser Denken formt und somit die Wirklichkeit, in der wir leben. Es unternimmt den Versuch, einen sensiblen Zugang zur entgleitenden Natur zu bewahren. Damit steht es tief in der spannungsvollen Tradition unserer Kultur- und Sprachgeschichte.“ (27)

 

Absolut lesenswert: Jürgen Goldstein (2019): Naturerscheinungen. Die Sprachlandschaften des Nature Writing. Berlin: Matthes & Seitz.

Eine reiche Fülle von wunderbaren Werken bietet der Verlag Matthes & Seitz

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„Geflochtenes Süßgras“ und der eigene Schreibtisch

Seit langem hat mich kein Buch so sehr fasziniert wie Geflochtenes Süßgras von Robin Wall Kimmerer:
500.000-mal verkauft, in 9 Sprachen übersetzt, auf der Bestseller-Liste der New York Times. Das klingt nach Erfolg, doch für mich zählt etwas Anderes.

Robin Wall Kimmerer ist Professorin für Umweltbiologie an der State University of New York und auch Mitglied der Citizen Potawatomi Nation, hat über ihre naturwissenschaftliche  Ausbildung hinaus indigene Wurzeln. Während ich fasziniert bin von ihrem exakten botanischen Wissen, spricht mich die indigene Haltung an, aus der heraus sie dieses Buch geschrieben hat.

In Zeiten von Klimakrise machen sich viele Menschen Gedanken, wie es weitergeht und weitergehen kann. Es gibt viele technische Erfindungen, die möglich wären, um CO2 zu binden, zu verringern, Müll aus den Meeren zu fischen, erneuerbare Energie auszubauen. Doch all dem fehlt diese ganz besondere Haltung, die ich in Kimmerers Buch finde:

Da ist die Thanksgiving Address – die traditionelle Danksagung der Onondaga. Mit ihr wird eine Kultur der Dankbarkeit gepflegt und es sind die „Worte, die vor allem anderen kommen“. So beginnen zum Beispiel Schülerinnen und Schüler jede Schulwoche mit dieser umfassenden Danksagung; sie wird auch zu Beginn von Tagungen oder Familienfeiern gesprochen. Hier ein Auszug:

„Wir sind überall umgeben von Bäumen. Die Erde hat viele Baumfamilien, jede mit ihrer eigenen Lehre und ihrem Nutzen. Die einen geben Schutz und Schatten, die anderen Frucht und Schönheit und viele nützliche Gaben. Der Erste unter den Bäumen ist der Ahorn, denn er gibt uns Zucker, wenn die Menschen ihn am meisten brauchen. Viele Völker der Erde erkennen in einem Baum ein Symbol für Frieden und Kraft. Einmütig entrichten wir dem Baumleben Gruß und Dank. Unsere Gedanken, unsere Herzen sind nun vereint.“ (S. 131)

Dann gibt es das Prinzip der „Ehrenwerten Ernte“: „Nimm nur, was du brauchst. Nimm nie mehr als die Hälfte. Ernte so, dass du möglichst wenig Schaden anrichtest. Nutze es respektvoll. Verschwende nie, was du genommen hast. Teile. Danke für das, was dir geschenkt wurde. Erhalte die, die dich erhalten, und die Ernte wird für immer bleiben.“ (S. 214)

Was wäre, wenn wir mit dieser Haltung auf unseren Alltag, unseren Konsum, unser Leben schauten? Kimmerer unternimmt einen Selbstversuch und versucht mit dieser Haltung der „Ehrenwerten Ernte“ in einer Shopping Mall ihre Schreibwaren einzukaufen. „Ich versuche hinter diesen Stapeln Papier die Bäume zu spüren.“ (S. 232) Das ist nicht leicht, wie sie selbst feststellt.
Ich schaue mich in meinem eigenen Arbeitsplatz um: Die Schreibtischplatte einst eine Buche. Die Rollcontainer einst eine Kiefer. Die Bleistifte, einst Bäume, unbekannte Art. Der Korkuntersetzer für meine Kaffeetasse – Korkeiche. Das Papier, die Bücher – meist aus Bäumen produziert – manches zum Glück aus Recyclingmaterial.

Ich lese Nachrichten: Jede Minute geht auf der Welt eine Waldfläche in der Größe von 27 Fußballfeldern verloren. Auf der Klimakonferenz haben sich nun mehr als 100 Länder dazu verpflichtet, die Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen.

Ich beginne zu rechnen 60 Minuten x 24 Stunden x 365 Tage x 7 Jahre x 27 Fußballfelder … es könnten also bis 2030 noch bis zu 128 Millionen weitere fußballfeldgroße Waldstücke abgeholzt werden!!! Und was ist mit den 93 weiteren Staaten der UN? Holzen diese weiter ab? Gibt es überhaupt noch irgendwann Wald? Und wenn ja, wie gesund ist er? Natürlich gibt es auch viele Baumpflanzaktionen, doch ein Baum braucht Jahre bis er groß.

Wieder fällt mir die Ehrenwerte Ernte ein: „Nimm nur, was du brauchst. Nimm nie mehr als die Hälfte. Ernte so, dass du möglichst wenig Schaden anrichtest. Nutze es respektvoll. Verschwende nie, was du genommen hast. Teile. Danke für das, was dir geschenkt wurde. Erhalte die, die dich erhalten, und die Ernte wird für immer bleiben.“ (S. 214)

Ich bin dankbar für den Baum, der mir meinen Schreibtisch ermöglicht hat, für die Stifte und das Papier; all das gehört für mich zum täglichen Arbeiten. Ich bin dankbar für die Ablage aus Holz, die mir meine Mutter vor vielen Jahren geschenkt hat. Es gibt sie noch immer, während jene aus Kunststoff schon längst wieder im Müll gelandet sind.

Schreibimpuls:

  • Schau dich um? Wofür bist du heute dankbar? Was möchtest du mehr achten, bewusster wahrnehmen? Schreibe es auf!
  • Lies das Zitat über die Ehrenwerte Ernte. Schreibe 15 Minuten frei – lass alle Gedanken auf das Papier oder in die Tastatur laufen, die dir bezüglich dieser Sätze in den Sinn kommen. Lies anschließend, was du geschrieben hast. Woran könntest du etwas ändern?

Leseimpuls:

Robin Wall Kimmerer: Geflochtenes Süßgras. Erschienen im aufbau-Verlag.

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Schreibend sich mit der Natur verbinden

Schon oft habe ich mich gefragt, woher Tiere und vor allem Pflanzen ihre Namen haben. Die Wühlmaus wühlt, doch der Zitronenfalter faltet keine Zitronen. Die Brennnessel brennt, doch der Gemeine Froschbiss beißt keinen Frosch.

Ich habe gesucht und einige Kategorien gefunden: Manche Pflanzen haben ihren Namen aufgrund ihrer Form – so wie der Fingerhut, der Storchenschnabel oder der Aufrechte Igelkolben. Andere aufgrund ihres Lebensraumes, wie die Brunnenkresse, die Sumpfkratzdistel oder das Alpenveilchen. Die meisten haben ihren Namen wohl wegen ihrer Eigenschaften, wie das Springkraut und die Filzige Klette.

Manche Pflanzennamen verweisen auf eine (frühere) Verwendung, wie die Bauernschminke, die zum Schminken oder das Seifenkraut, das zum Herstellen von Seife verwendet wurde. Andere verweisen auf ihre Blütezeit: Das Schneeglöckchen, die Herbstzeitlose, der Winterling. Carl von Linné hat mit seinem Werk Species Plantarum von 1753 Ordnung in die Pflanzenwelt gebracht. Auf 1200 Seiten beschrieb er an die 7300 Arten derjenigen Pflanzen, die ihm damals bekannt waren und sortierte sie in seine bis heute weltweit gültige Nomenklatur.

Tina Welling bietet in ihrem Buch Wild Writing einen Weg, sich schreibend wieder mit der Natur zu verbinden. Der erste Schritt ist das sogenannte Naming – die Dinge in der Natur zu benennen, im Sinne einer ersten Kontaktaufnahme. Aber der Name, aus welcher Sprache auch immer, erfasst letztlich nicht alles. Noch heute sehe ich das kleine Mädchen mit einer Blume in der Hand freudestrahlend auf seine Mutter zulaufen. „Schau mal!“ Die Mutter wirft einen Blick auf das kleine Pflänzchen und sagt: „Ach, das ist doch nur ein Gänseblümchen!“

„Schade!“, denke ich. Was könnte man alles mit diesem Gänseblümchen machen! Sich mit den zarten Blüten das Gesicht streicheln, ein Kränzchen für die Haare flechten, aber auch den Kartoffelsalat damit dekorieren, denn Gänseblümchen sind essbar. Man könnte Blütenblätter zählen, daran riechen oder es einfach stehen lassen, damit es weiterwachsen kann.

Bei Tina Welling ist das der zweite Schritt, das sogenannte Detailing, sprich die Sinne öffnen, hinschauen, lauschen, riechen, schmecken, tasten. Wobei sie deutlich darauf hinweist, dass man nicht alles in den Mund schieben möge, sondern nur das probieren solle, was man auch als ungiftig einordnen kann.

Um sich mit der Natur und all ihren Erscheinungen zu verbinden, ist es durchaus hilfreich, genauer hinzuschauen. Das Gänseblümchen klein, zart und lieblich – blüht von März bis November ununterbrochen. Selbst wenn der Rasenmäher da war, dann blüht es kurz darauf schon wieder. Es scheint viel Ausdauer und Kraft in ihm zu stecken.

Interessant wird es, wenn wir den dritten Schritt in dieser Naturerkundung gehen – das sogenannten Interacting: tiefer eintauchen in die Wahrnehmung – Gedanken und Gefühle oder auch Erinnerungen, die auftauchen, notieren. Man  kann sich fragen, was dieses Gänseblümchen für einen selbst bedeutet, welche Assoziationen ich mit ihm verknüpfen.

Ich bleibe an dieser besonderen Kombination hängen: klein-zart UND kraftvoll-ausdauernd. Mir fallen weitere interessante Kombinationen ein: Bambus ist extrem hart und dennoch biegsam und flexibel. Der Zitronenfalter, ebenfalls sehr zart, kann Temperaturen bis minus 20 Grad überstehen und ist im Frühjahr unter den ersten, die aus dem Laub kriechen.

Ich frage mich, ob auch wir Menschen solche sinnvollen Gegensätze kombinieren oder gar kultivieren könnten? Könnten wir kämpferisch UND friedlich sein, so wie Mahatma Gandhi? Könnten wir, so wie Gustave Flaubert es fordert, im täglichen Leben ordentlich-gleichförmig sein, in unserer Arbeit aber wild-originell?

Georgia O’Keeffe, eine der bekanntesten US-amerikanischen Malerinnen des 20. Jahrhunderts, hat immer wieder betont, dass Organisiertsein der Schlüssel zu produktiv-kreativem Arbeiten ist. Wie oft höre ich von Menschen, sie hätten keine Zeit zum Malen, zum Schreiben, zum Musizieren. Natürlich hängt das auch von der jeweiligen Lebenssituation ab. Mit drei kleinen Kindern zuhause ist das sicherlich nicht einfach. Auch mit einem intensiven Vollzeitjob bleibt wenig Zeit und Energie für kreatives Schaffen. Auf der anderen Seite verlieren sich viele Menschen in den sogenannten Social Media oder verbringen unnötigerweise Zeit mit dem Suchen wichtiger Unterlagen; angeblich summiert sich das Suchen von Dingen auf ein halbes Jahr unserer Lebenszeit.

Je besser ich also Alltag, Beruf und Haushalt organisiere, desto mehr Freiraum habe ich für kreatives Arbeiten. Gute Ideen dafür habe ich über meine Auseinandersetzung mit dem Thema Minimalismus gefunden. Hilfreich war auch, im Kalender einfach Zeiten zu blocken für kreatives Arbeiten. So habe ich im wahrsten Sinne der Wortes Frei-Raum für mein Treffen mit der Muse geschaffen.

Mein Dank gilt dem Gänseblümchen!

 

 

Sich schreiben mit der Natur verbinden. Zum Weiterlesen:

Tina Welling (2014): Writing Wild. Forming a Creative Partnership with Nature. Novato, California: New World Library.

 

  

 

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