Karin Schwind

Was ist eigentlich ein Schreibspaziergang?

Schreiben und Gehen, Geh-danken aufschreiben, langsam gehen, eben spazieren gehen. Das Wort spazieren lässt sich ableiten vom Lateinischen spatiari und bedeutet umherschweifen. Daher nenne ich meine Schreibspaziergänge auch gerne Kreative Streifzüge, denn ich schweife oder streife umher, auf der Suche nach Inspiration, Anregung, Ideen oder Antworten auf Fragen.

Wenn wir im Alltag von A nach B eilen, sind unsere Gedanken meisten (noch) bei A und der gerade geschriebenen Mail oder (schon) bei B und dem nächsten Meeting. Der kreative Streifzug lädt ein, zu entschleunigen, im Jetzt zu sein, wahrzunehmen, was gerade ist – in uns, aber vor allem auch um uns herum: Farben, Formen, Texte, Menschen, Landschaften, Dialoge …

Das, was wir sehen, hören, riechen, darf sich verknüpfen mit den Assoziationen, die auftauchen. Egal, ob wir nun Inspiration für ein Projekt suchen, Antworten auf bestimmte Fragen oder ob wir etwas Spezielles beobachten möchten – die Assoziationen können uns führen. Ein Beispiel:

Mein heutiger Streifzug durch das herbstliche Sonnenwetter führte mich hier am Bodensee natürlich auch an den Apfelbäumen vorbei. Das erste Wort, das auftauchte, war Ernte. „Was habe ich dieses Jahr nicht alles geerntet…?“, schoss es mir durch den Kopf. Diese Frage regt zum Schreiben einer Liste an. Dabei kann ich sie wörtlich nehmen und an meinen Garten denken, an die vielen Kirschen und Pflaumen, oder ich nehme die Frage metaphorisch:
Was habe ich dieses Jahr privat oder auch beruflich geerntet, geschaffen, wachsen lassen, konstruiert, kreiert? Dabei können viele Verben passend sein.

  • Mein Artikel für die Federwelt fällt mir ein, aber auch die Freude über die zehn Interviews, die ich dafür mit professionell Schreibenden geführt habe.  Die gelungene Zusammenarbeit mit der Chefredakteurin Anke Gasch zaubert mir jetzt noch ein Lächeln ins Gesicht.
  • Meine Reise nach New York fällt mir ein, die Museen und Galerien, das Bummeln durch Arts&Crafts, wo ich so herrlich zwischen Skizzenbüchern und Stiften stöbern kann.
    Fast spüre ich die tropische Wärme jener Tage wieder auf der Haut. Und ich erinnre mich gerne an die inspirierenden Gespräche mit dem Design Director von Urban-X; dabei entstand ein Konzept für ein Video, an dem ich nun gerade arbeite.
  • Meine neue Website fällt mir ein und der Spaß, den ich beim Gestalten mit Markus Bühler, meinem Webmaster, hatte.
  • Dann tauchen die Wanderungen im Vercors und im Valle Maira auf; fast höre ich noch die Stille inmitten der wilden Natur.

Was so ein Apfelbaum alles auslösen kann! Ein Reichtum der ganz anderen Art wird spürbar.

Schreibimpuls

Nehmen Sie Stift und Papier, gehen Sie hinaus und probieren Sie es einfach aus. Gerne nehme ich Sie auch mit, wenn ich den nächsten Schreibspaziergang mache.

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Tausche Schreibtisch gegen Kaffeehaustisch, Strandcafé oder ein Irgendwo unter Palmen

1528 schrieb Erasmus von Rotterdam: „Ich habe eine Studierstube im hintersten Winkel meines Hauses, mit dicken Mauern, doppelten Türen und Fenstern, alle Ritzen sind sorgfältig mit Gips und Pech verstopft, so daß selbst unter Tag kaum ein Lichtstrahl eindringen kann, und auch kein Laut, wenn er nicht besonders penetrant ist, wie etwas das Geschrei zankender Weiber oder der Krach, den die Handwerker machen.“
Bei diesen Zeilen merke ich, wie mir eng wird, dass ich mich beim Schreiben sehne nach Licht und Luft und Frei-Raum. Ich weiß, es gibt nicht DIE optimalen Schreibbedingungen, denn so wie Schreibende verschieden sind, so sind auch die Schreibbedingungen, die ihnen gut tun, das Schreiben fördern, verschieden.
Ich habe oft heimlich im Caféhaus, zwischen dem Einkaufen, gearbeitet. (…) Ich auf meinem Bett, auf meinem Liegestuhl, im Gras sitzend, immer mit angezogenen Knien, auf den Knien das Schulheft, das Kinderschulheft, in das ich Gedichte schrieb, oder Bruchstücke von Gedichten, oder Prosa (…)“ , erzählt Marie Luise Kaschnitz, die sich als Ehefrau und Mutter ihre Schreibzeit richtiggehende erobern musste.
Die Frage entsteht, braucht Schreiben immer einen Ort? Ist es nicht gut, ab und zu den Schreibort ganz zu verlassen und sich zu bewegen. Jostein Gaarder schreibt in seinem Buch „Der Geschichtenverkäufer“: „Wenn ich allein unterwegs war, hatte ich immer Bleistift und Notizblock bei mir. Im Gehen konnte ich besonders gut nachdenken. Natürlich tat ich das die ganze Zeit, aber das hemmungslose Fabulieren fiel mir leichter, wenn ich mich durch die freie Natur bewegte, als wenn ich in meiner Wohnung im Sessel saß. Von Schiller stammt der Satz, daß der Mensch beim Spielen frei werde, da er dann seinen eigenen Gesetzen folge. Er hatte damit nicht unrecht, aber die Sache ließ sich natürlich auch auf den Kopf stellen: Es war leichter, mit Gedanken und Ideen zu spielen, wenn ich frei über die Hardangervidda zog, als wenn ich Stunde für Stunde wie ein Vorstadtsklave in meinen vier Wänden auf und ab tigerte. (…) Ich dachte kühner und frischer, wenn ich unterwegs war, auf diese Weise entstanden immer neue Sujets und Synopsen.“
Gerade das Sich-bewegen in einer Phase der Ideensuchen, des Nachdenkens über Zusammenhänge und Gelesenes kann viel zum gelingenden Arbeiten beitragen. Auch bei einer sogenannten Schreibblockade kann es hilfreich sein, nach draußen zu gehen, sich zu bewegen, vielleicht sogar möglichst rhythmisch, auf einem Weg, der wenig Aufmerksamkeit erfordert. Doch zurück zum Schreibort.
Beantworten Sie sich einmal folgende Fragen:
• An welchen Orten schreibe ich normalerweise?
• Welche Orte habe ich zum Schreiben schon ausprobiert?
• Was hat mein Schreiben unterstützt, was behindert?
• Wo und wann schreibe ich konzentriert?
• Wo und wann bin ich kreativ?
• Welcher Schreibort passt zu meiner jeweiligen Arbeitsphase? Will ich kreativ Ideen spinnen, einen Rohtext zügig verfassen oder hoch konzentriert einen Text überarbeiten?

In den vergangenen Jahren habe ich viele unterschiedliche Schreiborte ausprobiert: Ich schrieb mich in Wien durch ein halbes Dutzend Kaffeehäuser, von höhlenartig-verraucht bis luftig-frisch, schrieb auf wuseligen Bahnhöfen und lärmenden Flughäfen, am Washington Square in New York City oder in der Einsamkeit des Val Grande…

 

Zum Weiterlesen.
Erasmus von Rotterdam: Gefunden in: Krajewski, Markus (2013): Lesen, Schreiben, Denken. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. S. 12
Marie Luise Kaschnitz: Gefunden in: Essig, Rolf-Bernhard (2007): Schreiblust & Dicherfrust. München: Carl Hanser. S. 148
Jostein Gaarder (2002): Der Geschichtenverkäufer. München: dtv. S. 72

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Journalschreiben für Gartenfreunde

Journalschreiben für Gartenfreunde

Beobachten und dokumentieren Sie Ihre Gartenarbeit. Schreiben Sie über Ihre Gartenpläne, Ihre Erfolge und Misserfolge. Über das, was Sie aus Letzterem gelernt haben. Notieren Sie systematisch Ihre Fragen und die Antworten, die Sie zusammengetragen haben und machen Sie aus Ihrem Gartenjournal ein persönliches Nachschlagewerk.
Darüber hinaus führt dieser Kurs ein ins Kreative Schreiben, sodass Sie auch Ihren Gartenträumen nachspüren, das Journal mit ersten lyrischen Kleinformen bereichern und mit Aphorismen berühmter Gärtner_innen schmücken können. Tipps für eigene Illustrationen machen das Gartenjournal auch optisch zu einer Augenweide.

Dieser Kurs ist geeignet für Einsteiger_innen, Urban Gardeners und versierte Gärtner_innen!

Ab Frühjahr 2019

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Schreiballtag zwischen Büro, Ablage und kreativem Arbeiten

Schreiballtag zwischen Büro, Ablage und kreativem Arbeiten

In der aktuellen Ausgabe der Federwelt. Zeitschrift für Autorinnen und Autoren gehe ich der Frage nach, wie Profis Büro, Ablage und Schreiballtag organisieren. Anhand von zehn Interviews wird deutlich, wie unterschiedlich schreibende Menschen ihren Arbeitsprozess gestalten. Während der eine einen absolut freien Schreibtisch braucht, fühlt sich der andere inmitten von Chaos angeregt und wohl. Während die eine sich lediglich minimalistisch mit Software ausstattet, schwört die andere auf das neuste Schreibprogramm.
Doch wie auch immer Sie Ihren Schreiballtag gestalten, die Interviews bieten jede Menge Anregungen, um den eigenen Prozess zu reflektieren und zu optimieren. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen:
Federwelt, Nr. 131, S. 16-25

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New York

Karin in New York.

Schreibreisen planen, durchführen, nachbereiten.
„Einmal sollte man seine Siebensachen fortrollen aus diesen glatten Gleisen. Man müste sich aus dem Staube machen und früh am Morgen unbekannt verreisen.“
Mascha Kaléko hat mich inspiriert wieder einmal auf Schreibreise zu gehen. Doch wie können auch Sie eine Schreibreise planen und durchführen, eine Schreibreise, die Ihr Schreiben anregt, die Sie inspiriert und auf neue Ideen und Gedanken bringt. Eine Anleitung mit praktischen Checklisten finden Sie im Artikel der Federwelt. Zeitschrift für Autorinnen und Autoren, Nr. 125, 2017 www.federwelt.de

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