Schreibbedingungen

Zeit zum Schreiben finden

Als wir schreiben lernten – vielleicht noch mit der Schiefertafel – waren wir konzentriert und vertieft. Doch heute?

Konzentriert Schreiben – ohne Unterbrechung von außen oder auch von innen ein Schreibprojekt zügig voranbringen – ist etwas, was sich viele Schreibende wünschen. Dabei ist es unwichtig, ob es sich um einen Fachartikel handelt, eine Dissertation oder einen Blogartikels für das Intranet eines Unternehmens. Vielleicht ist das Schreibprojekt auch ein Roman, eine Kurzgeschichte oder Text für den nächsten Poetry Slam.

Flow ist gewünscht und das, was Cal Newport mit Deep Work bezeichnet – das tiefe, konzentrierte Arbeiten. Viele Menschen seien heute eher „Shallow workers“, die oberflächlich und wenig konzentriert arbeiten. Sie könnten, häufig unterbrochen durch Handy, Social Media, Lust und Laune, kaum eintauchen in einen tiefen Denk- und Arbeitsprozess. Den Zustand des konzentrierten Arbeitens lasse sich jedoch nicht mit bloßer Willenskraft erzeugen. Er müsse, so Newport, vielmehr wie ein Muskel trainiert werden. Zeit zum Schreiben finden, kann man lernen und üben.

In meinen Schreibcoachings geht es daher nicht immer nur um stilistische Fragen, leserorientiertes Formulieren, Textfeedback oder rhetorische Feinheiten, sondern häufig auch um die Bedingungen, unter denen geschrieben wird, um Zeiträuber und Zeitfenster, um die Gestaltung eines Settings, in dem konzentriertes Schreiben möglich wird und Schreibprojekte erfolgversprechend abgeschlossen werden.

Kleiner Schreibimpuls: Zeit zum Schreiben finden

Listen Sie einmal auf, wie oft Sie während Ihres Schreibprozesses unterbrochen werden durch E-Mails, Handy, Social Media? Wie oft unterbrechen Sie sich selbst, weil Sie nur kurz mal recherchieren, aufs Handy schauen oder einen Kaffee holen müssen?

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Tausche Schreibtisch gegen Kaffeehaustisch, Strandcafé oder ein Irgendwo unter Palmen

1528 schrieb Erasmus von Rotterdam: „Ich habe eine Studierstube im hintersten Winkel meines Hauses, mit dicken Mauern, doppelten Türen und Fenstern, alle Ritzen sind sorgfältig mit Gips und Pech verstopft, so daß selbst unter Tag kaum ein Lichtstrahl eindringen kann, und auch kein Laut, wenn er nicht besonders penetrant ist, wie etwas das Geschrei zankender Weiber oder der Krach, den die Handwerker machen.“
Bei diesen Zeilen merke ich, wie mir eng wird, dass ich mich beim Schreiben sehne nach Licht und Luft und Frei-Raum. Ich weiß, es gibt nicht DIE optimalen Schreibbedingungen, denn so wie Schreibende verschieden sind, so sind auch die Schreibbedingungen, die ihnen gut tun, das Schreiben fördern, verschieden.
Ich habe oft heimlich im Caféhaus, zwischen dem Einkaufen, gearbeitet. (…) Ich auf meinem Bett, auf meinem Liegestuhl, im Gras sitzend, immer mit angezogenen Knien, auf den Knien das Schulheft, das Kinderschulheft, in das ich Gedichte schrieb, oder Bruchstücke von Gedichten, oder Prosa (…)“ , erzählt Marie Luise Kaschnitz, die sich als Ehefrau und Mutter ihre Schreibzeit richtiggehende erobern musste.
Die Frage entsteht, braucht Schreiben immer einen Ort? Ist es nicht gut, ab und zu den Schreibort ganz zu verlassen und sich zu bewegen. Jostein Gaarder schreibt in seinem Buch „Der Geschichtenverkäufer“: „Wenn ich allein unterwegs war, hatte ich immer Bleistift und Notizblock bei mir. Im Gehen konnte ich besonders gut nachdenken. Natürlich tat ich das die ganze Zeit, aber das hemmungslose Fabulieren fiel mir leichter, wenn ich mich durch die freie Natur bewegte, als wenn ich in meiner Wohnung im Sessel saß. Von Schiller stammt der Satz, daß der Mensch beim Spielen frei werde, da er dann seinen eigenen Gesetzen folge. Er hatte damit nicht unrecht, aber die Sache ließ sich natürlich auch auf den Kopf stellen: Es war leichter, mit Gedanken und Ideen zu spielen, wenn ich frei über die Hardangervidda zog, als wenn ich Stunde für Stunde wie ein Vorstadtsklave in meinen vier Wänden auf und ab tigerte. (…) Ich dachte kühner und frischer, wenn ich unterwegs war, auf diese Weise entstanden immer neue Sujets und Synopsen.“
Gerade das Sich-bewegen in einer Phase der Ideensuchen, des Nachdenkens über Zusammenhänge und Gelesenes kann viel zum gelingenden Arbeiten beitragen. Auch bei einer sogenannten Schreibblockade kann es hilfreich sein, nach draußen zu gehen, sich zu bewegen, vielleicht sogar möglichst rhythmisch, auf einem Weg, der wenig Aufmerksamkeit erfordert. Doch zurück zum Schreibort.
Beantworten Sie sich einmal folgende Fragen:
• An welchen Orten schreibe ich normalerweise?
• Welche Orte habe ich zum Schreiben schon ausprobiert?
• Was hat mein Schreiben unterstützt, was behindert?
• Wo und wann schreibe ich konzentriert?
• Wo und wann bin ich kreativ?
• Welcher Schreibort passt zu meiner jeweiligen Arbeitsphase? Will ich kreativ Ideen spinnen, einen Rohtext zügig verfassen oder hoch konzentriert einen Text überarbeiten?

In den vergangenen Jahren habe ich viele unterschiedliche Schreiborte ausprobiert: Ich schrieb mich in Wien durch ein halbes Dutzend Kaffeehäuser, von höhlenartig-verraucht bis luftig-frisch, schrieb auf wuseligen Bahnhöfen und lärmenden Flughäfen, am Washington Square in New York City oder in der Einsamkeit des Val Grande…

 

Zum Weiterlesen.
Erasmus von Rotterdam: Gefunden in: Krajewski, Markus (2013): Lesen, Schreiben, Denken. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. S. 12
Marie Luise Kaschnitz: Gefunden in: Essig, Rolf-Bernhard (2007): Schreiblust & Dicherfrust. München: Carl Hanser. S. 148
Jostein Gaarder (2002): Der Geschichtenverkäufer. München: dtv. S. 72

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