Artensterben – Wörtersterben

Laut Wissenschaftlern steht die Welt am Anfang des sechsten Massensterbens in der Erdgeschichte. Etwa alle zehn Minuten sterbe eine Tier-, Pilz- oder Pflanzenart aus  (Deutsche Welle 11.10.2021).
Aber nicht nur die Arten sterben aus, sondern auch die Worte, mit denen wir Tiere, Pflanzen und Pilze bezeichnen. Das Oxford-Lexikon für Kinder hat Naturbegriffe gestrichen, da sie nicht mehr der Lebenswelt der Kinder entsprechen. Da verschwinden die Eichel, die Weide, der Reiher, der Rabe, die Lerche oder der Eisvogel aus der Sprachwelt; werden ersetzt durch blog, chatroom oder voicemail. Sogar die Kastanie wurde gestrichen – obwohl sie über Jahrzehnte die Hosentaschen der Kinder füllte, zum Basteln im Herbst anregte, und auch heute noch erlebe ich Erwachsene, die eine dieser herrlich glatten Herbstfrüchte als Handschmeichler aufheben und in der Jackentasche verschwinden lassen.

Natürlich listen aktuelle Wörterbücher aktuelle Sprache ab, aber dennoch: Was passiert, wenn wir keine Worte mehr haben, um die Natur um uns herum zu benennen? Nehmen wir sie und ihren Zustand noch weniger wahr? Vertiefen wir uns noch mehr in digitale Welten und spüren immer weniger, das wir uns immer mehr unsere Lebensgrundlage ruinieren?

Robert Macfarlane schreibt in seinem Buch „The Lost Words – A Spell Book“: „We’ve got more than 50% of species in decline. And names, good names, well used can help us see and they help us care. We find it hard to love what we cannot give a name to. And what we do not love we will not save.”

Namen können uns helfen, überhaupt erst zu sehen, wahrzunehmen und uns schließlich auch zu kümmern. Es ist schwer, etwas zu lieben, was wir gar nicht benennen können, für das wir keine Namen haben. Wofür wir keine Namen haben, werden wir auch nicht retten.

Was also tun?

Eva John hat die verloren gegangenen Worte aufgegriffen und mit ihrem „Lost Words Explorer Guide“ einen wunderbaren Pflanzen- und Tierführer gestaltet, der Alt und Jung anregt, sich wieder mit der Natur zu befassen. Da gibt es die Möglichkeit, schön Worte zu sammeln, kreative Schreibimpulse zu nutzen oder Anregungen, um Augen und Ohren wieder zu öffnen, Notizen zu machen – Worte zu finden, um das Erlebte auszudrücken. Gerade der Austausch mit anderen hilft uns, sich gemeinsam wieder auf die Socken zu machen. Auch wenn diese wunderbare PDF auf Englisch geschrieben ist, lassen sich die vielen Anregungen dennoch gut nutzen. Zudem ist es eine Freude, in der anregend gestalteten PDF zu „blättern“.

Ich wünsche allen wunderbare Herbsttage

Hier geht es zu Eva Johns: “Lost Words Explorer Guide”

Hier geht es zu Robert Macfarlanes: „The Lost Words – A Spell Book” (Hervorragend illustriert von Jackie Morris)

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